Rz. 17

In den Nachlassbestand sind alle (aber auch nur die) vererblichen Vermögenswerte einzubeziehen. Das sind alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die im Erbfall durch Gesamtsrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB auf den bzw. die Erben übergegangen sind. Einzubeziehen sind auch die aufgrund einer erbrechtlichen Sonderrechtsnachfolge übergehenden Gegenstände, etwa die vererblichen Anteilen an einer Personengesellschaft oder ein landwirtschaftlicher Erwerb nach der HöfeO oder den anderen landesrechtlichen Anerbengesetzen.[36]

 

Rz. 18

Ausgeklammert werden Nachlassbestandteile, die nur ideellen Wert haben.[37] Soweit aber beispielsweise das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch kommerzielle Interessen (z.B. die Möglichkeit, den Namen oder das Bild einer bekannten Persönlichkeit zu vermarkten) umfasst,[38] gehen diese "vermögenswerten Bestandteile" auf den Erben über, so dass die hiermit verbundene wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit zu den Nachlassaktiva gehört. Dasselbe gilt prinzipiell auch für das Urheberrecht (§ 28 UrhG) und gewerbliche Schutzrechte.[39]

 

Rz. 19

Der pflichtteilsrelevante Nachlass umfasst auch alle vermögensrechtlichen Positionen und Beziehungen, die der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten eingeleitet hat, die aber erst mit oder nach seinem Tode endgültige Rechtswirkungen entwickeln (sog. unfertige Rechtsbeziehungen).[40] Dazu zählt z.B. auch der öffentlich-rechtliche Anspruch aus einem Meistgebot (§ 81 ZVG).[41]

 

Rz. 20

Soweit kein Bezugsberechtigter benannt ist, zählen auch Ansprüche aus einer Lebensversicherung zum Nachlassvermögen.[42] Gleiches gilt, wenn und soweit die Versicherung als Kreditunterlage verwendet wurde und der Leistungsanspruch – unter insoweit teilweisem Widerruf der Bezugsberechtigung – an einen Darlehensgeber abgetreten ist.[43]

 

Rz. 21

Zu berücksichtigen sind auch Surrogate, wie Lastenausgleichsansprüche für Schäden, die bereits vor dem Erbfall eintraten, auch wenn die Ausgleichsforderung erst in der Person des Erben entstanden ist.[44] Gleiches gilt für Ansprüche des Erblassers auf Rückgabe oder Entschädigung für Grundstücke in der ehemaligen DDR nach dem Vermögensgesetz, wenn der Erbfall nach dem 29.9.1990 eingetreten ist.[45]

 

Rz. 22

Auf der Verbindlichkeitenseite gehören zum für § 2311 BGB relevanten Nachlass nur diejenigen Schulden, Lasten und Verpflichtungen, die auch beim Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bestehen würden.[46] Daher sind all diejenigen Verpflichtungen, die aus einer testamentarischen Verfügung des Erblassers herrühren, auszuklammern,[47] darüber hinaus Verbindlichkeiten, die im Falle eines Nachlassinsolvenzverfahrens erst nach dem Pflichtteilsanspruch zu befriedigen wären (§ 327 InsO).[48]

 

Rz. 23

Auch für den Ansatz von Nachlassverbindlichkeiten gilt, dass diese im Zeitpunkt des Erbfalls bereits entstanden (mit Ausnahme der persönlichkeitsbezogenen Pflichten, die nicht vererblich sind)[49] oder wenigstens schon im Keim angelegt gewesen (siehe Rdn 10) sein müssen.[50] Weiterhin müssen sie sich gegen den Nachlass richten.[51] Zu berücksichtigen sind grundsätzlich sowohl die Erblasser-[52] als auch die Erbfallschulden.[53]

 

Rz. 24

§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB definiert den Pflichtteil als die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Die Aufnahme des Nachlassbestandes muss daher so erfolgen, als ob der Pflichtteilsberechtigte im Wege der gesetzlichen Erbfolge selbst Erbe geworden wäre. Alle Verpflichtungen, die ihn bei dieser hypothetischen Betrachtung treffen würden, sind auch bei der Berechnung des Pflichtteils mit zu berücksichtigen.[54] Mithin zählen zum Nachlassbestand alle vererbbaren[55] und nicht verjährten[56] Schulden, soweit sie i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB vom Erblasser "herrühren" (sog. Erblasserschulden).[57] Gleiches gilt auch für die sog. Erbfallschulden, also Verpflichtungen, deren Rechtsgrund auf den Erbfall als solchen zurückzuführen ist bzw. die zumindest auch im Interesse des Pflichtteilsberechtigten erfüllt werden oder ihn getroffen hätten, wenn er unbeschränkter und unbeschwerter gesetzlicher Erbe geworden wäre.[58]

[36] Die Sondergesetze enthalten hierfür meist spezielle Bestimmungen zu einer – teilweise extrem – niedrigen Bewertung des Pflichtteils (landesrechtlicher Überblick bei Staudinger/J. Mayer, Art. 64 EGBGB Rn 57); so ist nach der HöfeO Bemessungsgrundlage der sog. Hofeswert im Erbfall, das ist das Eineinhalbfache des zuletzt festgestellten (steuerlichen) Einheitswertes (§ 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 10 HöfeO). Da die im Bewertungsgesetz vorgesehene Anpassung der Einheitswerte nicht erfolgt ist, ist die hieran geknüpfte Abfindungsregelung des § 12 HöfeO lückenhaft geworden, soweit sich die seinerzeit zugrunde gelegte Wertrelation zwischen Einheitswert und Ertragswert des Hofes infolge der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich verschoben hat. Diese Lücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 S. 3 HöfeO zu schließen, BGHZ 146, 74 = NJW 2001, 1726; dazu die Anm. von Rinck, AgrarR 2001, 111 und...

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