Rz. 1

Gem. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer Einzelrechtsnachfolge verfolgt als Zweck den Schutz der einzelnen Arbeitnehmer durch die Sicherung und die unveränderte Fortführung des Arbeitsvertrages. § 613a BGB schützt dabei Arbeitnehmer nicht nur vor Kündigungen "wegen" des Betriebsüberganges, sondern auch vor einer unberechtigten Änderung ihrer Arbeitsbedingungen gegen ihren Willen durch Änderungskündigung oder Aufhebungsvereinbarungen (BAG v. 12.5.1992 – 3 AZR 247/91).

 

Rz. 2

Von der Regelung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB werden alle im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse erfasst, also auch alle Arbeitsverhältnisse, die bereits von einer Seite gekündigt wurden, bei denen aber die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist (s. dazu BAG v. 23.9.1999 – 8 AZR 614/98; ErfK/Preis, § 613a BGB Rn 68), sowie die faktischen oder anfechtbaren Arbeitsverhältnisse, die der neue Inhaber zwar ohne Weiteres beenden kann, ohne von dieser Möglichkeit aber Gebrauch machen zu müssen (Bernert, Anm. zu BAG v. 3.7.1980 – 3 AZR 1077/78).

 

Rz. 3

Für den Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht erheblich ist es, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag zwar am Tag vor dem Betriebsübergang endet, das Arbeitsverhältnis jedoch durch einen daran anschließenden Arbeitsvertrag mit dem Erwerber "nahtlos" weitergeht (BAG v. 19.5.2005 –3 AZR 649/03). Durch die zeitliche Nähe entsteht ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen den Arbeitsverhältnissen, sodass es vom Schutzziel des § 613a BGB gefordert ist, die vom Arbeitnehmer erworbenen Besitzstände zu schützen.

 

Rz. 4

Ferner gehen die Anstellungsverhältnisse der leitenden Angestellten auf den Betriebserwerber über (BAG v. 22.2.1978 – 5 AZR 800/76, EzA § 613a BGB Nr. 18 = SAE 1979, 84 m. Anm. Hadding/Häuser).

 

Rz. 5

Gleiches gilt für Berufsausbildungsverhältnisse, da §§ 3, 10 Abs. 2 BBiG auf die für Arbeitsverhältnisse geltenden Rechtsvorschriften verweist und § 613a BGB nicht ausgenommen hat (BeckOK-ArbR/Gussen, BGB, § 613a Rn 86).

 

Rz. 6

Weiterhin unter den Anwendungsbereich fallen solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis noch besteht, aber zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs ruht, wie z.B. bei Arbeitnehmern in der Freistellungsphase der Altersteilzeit (BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 27/07). Hierzu führt das BAG aus: "Bestehende Arbeitsverhältnisse sind alle, die rechtlich weiter bestehen, gleichgültig, ob noch Arbeit geleistet wird oder ob der Arbeitnehmer von der Arbeit freigestellt ist".

Der Betriebserwerber muss sich darüber hinaus eine zuvor erfolgte Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung zurechnen lassen, sodass ihm gegenüber ein verzugsbegründendes Angebot des Arbeitnehmers nach §§ 615, 295, 296 BGB entbehrlich ist (LAG Rheinland-Pfalz v. 11.2.2010 – 11 Sa 620/09).

 

Rz. 7

Nicht erfasst werden von § 613a Abs. 1 S. 1 BGB beendete Arbeitsverhältnisse, bei denen die Kündigungsfrist bereits abgelaufen ist. So gehen weder Ansprüche auf Zahlung von Karenzentschädigung (BAG v. 27.11.1991 – 4 AZR 211/91; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 613a Rn 102) noch Unterlassungspflichten aus vertraglichen Wettbewerbsverboten i.S.d. §§ 74 ff. HGB auf den Betriebserwerber über, wenn das Arbeitsverhältnis zum Betriebsveräußerer im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bereits beendet war. Im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer können deshalb selbst dann keine Provisionsansprüche gegen den Betriebserwerber geltend machen, wenn die provisionspflichtigen Geschäfte erst von ihm ausgeführt werden (BAG v. 11.11.1986 – 3 AZR 179/85).

 

Rz. 8

Nicht erfasst von § 613a BGB werden ferner Ruhestandsverhältnisse, auch wenn sie z.B. wegen Ansprüchen aus betrieblicher Altersversorgung oder wegen einer Wettbewerbsvereinbarung "nachwirken" (BAG v. 11.11.1986 – 3 AZR 194/85; BAG v. 23.3.2004 3 AZR 151/03). Übernimmt der Betriebserwerber die Firma des Betriebsveräußerers, so haftet er neben diesem nach § 25 HGB (BAG v. 24.3.1987 – 3 AZR 384/85; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 85/05).

 

Rz. 9

Zu den bestehenden Arbeitsverhältnissen zählen nicht arbeitnehmerähnliche Personen, denn sie stehen gerade nicht in einem Arbeits-, sondern in einem sonstigen Dienstverhältnis. Auf sonstige Dienstnehmer, insb. auch auf sog. freie Mitarbeiter, ist § 613a BGB weder direkt noch analog anwendbar (LAG Hamm v. 30.5.2001 – 4 (19) Sa 1773/00; ErfK/Preis, § 613a BGB Rn 67).

 

Rz. 10

Keine Anwendung findet die Vorschrift ferner auf Dienstverträge mit Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wie Organmitglieder einer juristischen Person, insb. GmbH-Geschäftsführer (OLG Celle v. 15.6.1977 – 3 U 96/76; Staudinger/Annuß, § 613a BGB Rn 18; Henssler/Strohn/Oetker, § 35 GmbHG Rn 108; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 613a Rn 82.; s. ferner BGH v. 10.2.1981 – VI ZR 185/79), selbst wenn sie nicht bei einer GmbH, sondern bei einer KG angestellt sind (OLG Hamm v. 18.6.1990 – ...

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