Rz. 284

Können diese Gebühren jedoch auch dann abgerechnet werden, wenn ein Mehrvergleich im Rahmen eines VKH-Verfahrens außerhalb von § 48 Abs. 3 RVG geschlossen wird? Bedauerlicherweise lehnt auch heute noch ein Großteil der Rechtsprechung außerhalb des § 48 Abs. 3 RVG eine Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf die Verfahrens- und Terminsdifferenzgebühr ab.[213] Einige Gerichte bejahen aber auch eine Erstreckung.[214] Zum Teil wird gefordert, dass eine ausdrückliche Erstreckung durch Ausspruch erfolgt ist.[215]

 

Rz. 285

Dabei herrscht teilweise sogar bei den unterschiedlichen Familiensenaten desselben OLG Uneinigkeit, wie z.B. in Celle:

Zitat

"Bei Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen über den Verfahrensgegenstand hinausgehenden Vergleich sind – auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 48 Abs. 3 RVG – neben der Vergleichsgebühr auch die auf den verglichenen Gegenstand anfallende Verfahrensdifferenzgebühr und die nach dem zusammengerechneten Wert des anhängigen und des verglichenen Gegenstandes berechnete Terminsgebühr aus der Staatskasse zu erstatten (entgegen OLG Celle v. 26.2.2015 – 10 WF 28/15, OLG Koblenz v. 19.5.2014 – 13 WF 369/14, OLG Dresden v. 7.2.2014 – 23 WF 1209/13; Anschluss: OLG Celle v. 8.5.2014 – 15 UF 166/13; OLG Stuttgart v. 18.2.2016 – 8 WF 339/15)." (amtlicher Leitsatz)[216]

 

Rz. 286

Auch die neuere Rechtsprechung geht zu Recht davon aus, dass auch außerhalb des § 48 Abs. 3 RVG die Staatskasse alle angefallenen Gebühren zu tragen hat.[217] Dabei hatte der Anwalt im vorliegenden Fall die Erstreckung ausdrücklich beantragt und diese war auch so festgestellt worden. Allein schon wegen § 48 Abs. 1 RVG waren damit alle Gebühren aus der Staatskasse zu bezahlen. Eine Ungleichbehandlung von Bemittelten und nicht bemittelten Bürgern ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen zu vermeiden.[218] Darüber hinaus, so das OLG Karlsruhe richtig, sehen weder § 114 Abs. 1 ZPO noch § 76 Abs. 1 FamFG eine Beschränkung der VKH auf bestimmte Gebühren vor. Auch aus dem Umkehrschluss des § 48 Abs. 3 RVG kann man nichts anderes ablesen. Denn § 48 Abs. 3 RVG regelt nur, dass in den dort genannten Fällen ein gesonderter Antrag zur Erstreckung der Beiordnung nicht erforderlich ist. Dies schließt den Antrag auf Beiordnung in anderen Fällen nicht aus.

 

Rz. 287

 

Praxistipp

Bis zu einer Entscheidung des BGH zu diesem Thema wird empfohlen, im Termin die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung auf "alle mit der Herbeiführung der Einigung auch im Hinblick auf nicht rechtshängige Ansprüche erforderlichen Tätigkeiten" zu beantragen. Es wird ausdrücklich empfohlen, den Mandanten auf die Kostenfolgen hinzuweisen, wenn ein solcher Antrag nicht gestellt wird/werden soll, da der Mandant in diesen Fällen die entstehenden Mehrkosten nach der Tabelle zu § 13 RVG selbst tragen muss. Unter Umständen, insbesondere wenn der Mandant nicht über die geeigneten Mittel verfügt, sollte für den beabsichtigten Mehrvergleich ggf. ein gesondertes Verfahren eingeleitet werden, für das dann Verfahrenskostenhilfe gesondert beantragt werden kann.

[213] OLG Dresden, Beschl. v. 7.5.2015 – 19 WF 1424/14, NJW-RR 2015, 1159 = NJW 2014, 2804 = FamRZ 2014, 1879; OLG Dresden Beschl. v. 7.2.2014 – 23 WF 1209/13, NJW 2014, 2804 = FamRZ 2014, 1879; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2015 – 13 WF 67/15, MDR 2015, 338 = BeckRS 2015, 05623 = NJW-RR 2015, 61; OLG Celle, Beschl. v. 26.2.2015 – 10 WF 28/15, BeckRS 2015, 08721; NJW 2011, 1296.
[214] OLG Celle, Beschl. v. 8.5.2014 – 15 UF 166/13, FamRZ 2014, 1878 = BeckRS 2014, 21380; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2016 – 8 WF 339/15, NZFam 2016, 515 = JurBüro 2016, 246 m.w.N.
[215] OLG Celle, Beschl. v. 26.2.2015 – 10 WF 28/15, BeckRS 2015, 08721; a.A. OLG Dresden, Beschl. v. 13.11.2015 – 22 WF 926/15, JurBüro 2016, 87 = BeckRS 2015, 19410.
[216] OLG Celle, Beschl. v. 13.6.2016 – 21 WF 118/16, BeckRS 2016, 12431 = AGS 2016, 488.
[217] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.2.2017 – 2 WF 214/16, NJW-RR 2017, 575.
[218] So auch OLG Karlsruhe a.a.O.

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