Rz. 26

Soll der Rechtsanwalt zunächst einen Vertrag beurkunden lassen und prüft er dann, ob die notarielle Urkunde das von dem Auftraggeber Gewollte richtig wiedergibt, liegt dieselbe Angelegenheit vor.[21]

Dieselbe Angelegenheit liegt auch vor, soweit der Rechtsanwalt zunächst am Vergleich und dann an seiner Durchführung mitwirkt.[22]

Beim Übergang von Eheaufhebungsantrag zum Scheidungsantrag handelt es sich um dieselbe Angelegenheit.[23] Dieselbe Angelegenheit liegt auch bei wechselseitigen Scheidungsanträgen vor.[24] Werden Scheidungsanträge getrennt eingereicht, liegt dieselbe Angelegenheit aber erst ab Verbindung vor.[25]

Bei Abtrennung einer Folgesache bleibt das Verfahren dieselbe Angelegenheit und es fallen die Gebühren nur einmal aus dem zusammengerechneten Verfahrenswert an,[26] vgl. dazu auch § 21 Abs. 3 RVG zur Unterscheidung zwischen solchen Folgesachen, die als isoliertes Verfahren fortzuführen sind und solchen, die trotz Abtrennung im Verbund bleiben (siehe § 4 Rdn 41).

 

Rz. 27

Bei wechselseitig beantragtem Zugewinnausgleich ist von verschiedenen Gegenständen auszugehen und eine Wertaddition vorzunehmen.[27] Zugewinnausgleich und Auseinandersetzung gemeinsamen Immobiliarvermögens der Eheleute bilden dieselbe Angelegenheit, wenn kein gesonderter Auftrag zur Auseinandersetzung der Eigentumsgemeinschaft bestand und die Übertragung des Miteigentums vergleichsweise anstelle der Zahlung einer Ausgleichsforderung erfolgt.[28] Eine Angelegenheit mit Gegenstandswerterhöhung liegt ebenfalls vor, wenn der Zugewinnausgleich bei gleichzeitiger Auseinandersetzung des Miteigentums durchgeführt wird.[29]

 

Rz. 28

 

Praxistipp

Der Gesetzgeber hat zum 1.9.2009 das familienrechtliche Verfahrensrecht geändert, indem das Verbundverfahren den früher hohen Stellenwert etwas verloren hat; es in der Praxis häufiger zu isolierten Verfahren kommt und vielfältige Abtrennungsmöglichkeiten aus dem Verbund geschaffen wurden (vgl. § 140 FamFG). Dies dürfte meines Erachtens auch Auswirkungen auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts haben. Im Hinblick auf die 2-Jahres-Regelung in § 15 Abs. 5 RVG, fehlende gesetzliche Regelungen zu genau dieser (außergerichtlichen) Frage im RVG und die doch sehr strittige Rechtsprechung empfehle ich jedoch dringend in Zweifelsfällen den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung, wenn jeder außergerichtliche Gegenstand gesondert abgerechnet werden soll, auch um sich nicht dem Vorwurf der Gebührenüberhebung auszusetzen. Die Vereinbarung kann z.B. allein die Möglichkeit einer getrennten Abrechnung beinhalten, ohne dass sonstige Abweichungen vom RVG, wie z.B. höhere Gebühren geregelt werden. Zum Abschluss von Vergütungsvereinbarungen vgl. § 3 Rdn 1 ff.

 

Rz. 29

Wird ein Ehescheidungsverfahren von beiden Beteiligten nicht betrieben und hat der VKH-Anwalt eine Vergütung bereits erhalten, bekommt er nach einer Entscheidung des OLG Schleswig[30] dieselbe Vergütung nicht noch einmal, wenn das Verfahren mehrere Jahre später fortgeführt wird. Es liegt dieselbe Angelegenheit vor; die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG findet keine Anwendung. Anders sieht dies das OLG Zweibrücken:[31]

Zitat

"Wird ein Scheidungsantrag zurückgenommen und wird später erneut die Scheidung beantragt, liegen zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten vor, so dass die Verfahrensbevollmächtigten ihre Vergütung jeweils gesondert erhalten. Es kommt nicht darauf an, ob seit Rücknahme des ersten Scheidungsantrags bis zur Einreichung des neuen Scheidungsantrags mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind."

 

Rz. 30

 

Praxistipp

Im Hinblick auf Probleme bei der Abgrenzung der gebührenrechtlichen Angelegenheiten (siehe auch unten, ab Rdn 7) wird empfohlen in Mandaten, die nicht über Beratungshilfe abgerechnet werden

die gesonderte Abrechnung der einzelnen Gegenstände mit dem Mandanten im Hinblick auf die für beide (RA und Mandant) wichtige Kostensicherheit zu vereinbaren (beachte dazu §§ 3a ff. RVG sowie § 3 Rdn 1 ff.)
getrennte Akten für jede gebührenrechtliche Angelegenheit mit eigenem Aktenzeichen anzulegen
über eine sachlich rechtfertigende Vereinzelung von Verfahren mit Mandanten auch im Hinblick auf die Kostenfolge zu sprechen und die erteilten Hinweise in der Akte zu dokumentieren.
[21] BGH AnwBl 1985, 257.
[22] LG Heidelberg MDR 1994, 518.
[23] KG FamRZ 2011, 667 = AGS 2011, 65 m. Anm. Thiel.
[24] KG MDR 1975, 1028.
[25] OLG Bamberg JurBüro 1976, 775.
[26] OLG Oldenburg AGS 2011, 125; OLG Düsseldorf AGS 2001, 27 = JurBüro 2000, 413; a.A. bei zuvor abgetrennten und ausgesetzten, dann aber wiederaufgenommenen Versorgungsausgleichsverfahren OLG Celle NJW 2010, 3791 = FamRZ 2011, 240 = AGS 2010, 533 m. Anm. Thiel: Neue Angelegenheit, auf die zuvor entstandene Gebühren anzurechnen sind; OLG Karlsruhe JurBüro 1999, 420; AG Hainichen AGS 2010, 536 m. Anm. N. Schneider; bewilligte PKH gilt aber weiter: OLG Rostock AGS 2010, 547.
[28] Schneider/Wolf, AnwK-RVG, § 15 Rn 76.
[29] Mayer/Kroiß, RVG, § 15 Rn 81.
[30] O...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge