Rz. 5

Was unter dem Begriff "dieselbe Angelegenheit" zu verstehen ist, definiert für Verbundverfahren § 16 Nr. 4 RVG näher. Danach sind eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen als dieselbe Angelegenheit zu betrachten, mit der Folge, dass die Werte der einzelnen Gegenstände zu addieren und die Gebühren einmal hieraus zu berechnen sind, vgl. dazu § 15 Abs. 2 RVG. Mit Folgesachen sind solche nach § 137 Abs. 2 u. 3 FamFG gemeint. Ein Verbundverfahren ist jedoch als solches jedoch nur im gerichtlichen Verfahren möglich.

 

Rz. 6

Erhält der Rechtsanwalt den Auftrag, den Mandanten hinsichtlich der beabsichtigten Scheidung außergerichtlich hinsichtlich potentieller Folgesachen (Unterhalt, Umgangsrecht, Zugewinnausgleich) zu vertreten, ist in der Praxis umstritten,

ob § 16 Nr. 4 RVG auch für die vorgerichtliche Tätigkeit zur Anwendung kommt mit der Folge, dass nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt mit entsprechender Addition der Gegenstandswerte

oder

jeweils verschiedene Angelegenheiten bestehen, die dann gesondert abgerechnet werden können[4]
oder
§ 16 Nr. 4 RVG zwar nicht zur Anwendung kommt (richtig!), gleichwohl dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG vorliegt (fraglich).
 

Rz. 7

Sofern die Anwendbarkeit von § 16 Nr. 4 RVG bejaht wird, so dürfte bei einer außergerichtlichen Tätigkeit hinsichtlich Trennungsunterhalts und z.B. Zugewinnausgleichsansprüchen von zwei verschiedenen Angelegenheiten auszugehen sein, nachdem der Trennungsunterhalt im Falle eines gerichtlichen Verfahrens nie Scheidungsfolgesache werden kann, da denklogisch keine Entscheidung für den Fall der Scheidung möglich ist.[5]

Aufgrund der verschiedensten möglichen Lebenssachverhalte und Fallkonstellationen wird in jedem Fall eine Einzelfallprüfung vorzunehmen sein.

 

Rz. 8

Auch wird der erteilte Auftrag eine besondere Rolle spielen. Wird der RA beauftragt, Ansprüche in einem Verfahren geltend zu machen, liegt eine Angelegenheit vor. Wird er hingegen beauftragt, diese in getrennten Verfahren geltend zu machen, liegen mehrere Angelegenheiten vor. Entscheidend ist hierbei nicht die Verfahrensweise des RA.

Hat er den Auftrag, mehrere Ansprüche in einem Verfahren geltend zu machen, so kann er auch nicht durch die Geltendmachung der einzelnen Ansprüche in getrennten Angelegenheiten mehrere Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne daraus machen. Der Mandant kann frei entscheiden, in welcher Weise verfahren werden soll. Der RA hat allerdings den Mandanten über die gebührenrechtlichen Konsequenzen zu belehren.

 

Rz. 9

Nach dem BGH[6] ist es einem Rechtsanwalt

Zitat

"nicht erlaubt, einseitige und ohne hinreichenden Sachgrund anstehende Verfahren eines Auftraggebers zu vereinzeln, statt sie nach ihrer objektiven Zusammengehörigkeit als eine Angelegenheit zu behandeln, bei der die Gegenstandswerte zusammenzurechnen sind. Ist sowohl eine getrennte als auch eine gehäufte Verfahrensführung ernsthaft in Betracht zu ziehen, muss der Rechtsanwalt das Für und Wider des Vorgehens unter Einbeziehung der Kostenfolge dem Auftraggeber darlegen und seine Entscheidung herbeiführen."

Auch das OLG Hamburg sah schon 2003 den Anwalt in der Pflicht:[7]

Zitat

"Auf Grund der besonderen Umstände des einzelnen Falls kann der Anwalt verpflichtet sein, seinen Mandanten über weitaus höhere Gesamtkosten von Einzelklagen gegenüber einer Sammelklage aufzuklären und kann aufgrund schuldhafter Pflichtverletzung des Anwaltvertrages einem Schadensersatzanspruch seines Mandanten ausgesetzt sein."

 

Rz. 10

Ebenso ist zu berücksichtigen, dass in einem eventuellen gerichtlichen Verfahren eine Kostenerstattung bei getrennter Geltendmachung Probleme bereiten kann. Die Tendenz in der Rechtsprechung geht dahin, dass die Kosten dann erstattungsfähig sind, wenn vertretbare Gründe für die getrennte Geltendmachung vorliegen.

 

Rz. 11

Keinesfalls darf bei der Beantwortung der Frage nach der Anzahl der gebührenrechtlichen Angelegenheiten die Rechtsprechung zur Beratungshilfe auch für Mandate herangezogen werden, die regulär abgerechnet werden. Denn im Gegensatz zur Beratungshilfe kann bei regulärer Abrechnung durch die Addition der Gegenstandswerte im Falle derselben Angelegenheit eine Gebührenerhöhung erreicht werden, vgl. § 22 Abs. 1 RVG. Eine Wertaddition kann bei Beratungshilfemandate nicht erfolgen, da Beratungshilfemandate nach Fest- und nicht nach Wertgebühren abgerechnet werden. Zur Frage der Angelegenheit bei Beratungshilfe siehe daher umfassend § 6 Rdn 64 ff.

 

Rz. 12

Die Abgrenzung der Angelegenheiten i.S.v. § 15 RVG, die mehrere Auftragsgegenstände umfassen können, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse im Einzelfall ebenso wie die Feststellung des Auftragsinhalts grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters.[8] Dabei ist insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend.[9]

 

Rz. 13

Zur Klärung der Frage, ob gebührenrechtlich dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten vorliegen, wenn im RVG der jeweil...

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