Rz. 26

Einem Sachmangel steht es gemäß § 434 Abs. 5 BGB gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert[107] (Aliudlieferung).[108]

Die Minus- (Minder-) bzw. Mankolieferung ("Lieferung einer zu geringen Menge", vgl. § 434 Abs. 3 BGB alt) findet in diesem Kontext keine Erwähnung mehr, da sie in Art. 6 Buchst. a WKRL[109] ausdrücklich als Anwendungsfall der subjektiven An­forderungen an eine Kaufsache benannt wird und damit als echter Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB zu qualifizieren ist (und damit einem solchen nicht nur gleichsteht):[110] Eine systematische Korrektur, die durch die Vorgaben des Unionsrecht nötig geworden ist, an den Rechtsfolgen aber nichts ändert.[111]

 

Beachte

Die Zuviellieferung hat hingegen – wie bisher[112] – keine ausdrückliche Regelung erfahren, wobei jedoch Art. 6 Buchst. a WKRL die Menge (ohne Einschränkungen, weniger oder mehr) nennt,[113] ebenso § 434 Abs. 2 Satz 2 respektive § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB.

 

Neue Prüfungsfolge[114] (aufgrund der Abkehr vom Vorrang des subjektiven Fehlerbegriffs, vorstehende Rdn 6):

Liegt eine besondere Fehlerkategorie vor?

Aliudllieferung (§ 434 Abs. 5 BGB, vorstehende Rdn 26)?
Minder-/Minuslieferung (§ 434 Abs. 2 Satz 2 BGB [Rdn 26] respektive § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB [Rdn 26])?
Fehlen von Zubehör (§ 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB [Rdn 11] respektive § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BGB [Rdn 18])?
Montagemangel (§ 434 Abs. 4 BGB, Rdn 24)?
Stimmt die Ware mit den objektiven Anforderungen (Rdn 18 ff.) überein (ohne Rückgriff auf vertragliche Vereinbarungen)? Fraglich, sofern dies nicht bereits im Kontext mit einer besonderen Fehlerkategorie eine Prüfung erfahren hat.
Stimmt die Ware mit den subjektiven Anforderungen überein, ggf. unter Heranziehung einer (nur unter engen Voraussetzungen möglichen) negativen Beschaffenheitsvereinbarung?

Prüfung der negativen Beschaffenheitsvereinbarung:

§ 476 BGB in der Konstellation B2C;
§§ 305 ff. BGB in der Konstellation B2B (mit dem Problem einer Klauselkontrolle in dieser Relation, vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB).
 

Zusammenfassung

Die Umsetzung der WKRL führt zu erheblichen sprachlichen Veränderungen in der gesetzlichen Regelung, deren materielle Auswirkungen jedoch gering bleiben werden.
Statt eines vormaligen Vorrangs der subjektiven Anforderungen (vgl. § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB: "Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, […]") kommt es zu einer Kumulation der subjektiven und objektiven Anforderungen.
Von den objektiven Anforderungen ist eine subjektive Abweichung möglich.
[107] Wilke (VuR 2021, 283, 285): "Warum eigentlich, wenn doch die “Art’ bereits zur Beschaffenheit gehört?" Zum Aliud auch HK-BGB/Saenger, § 434 Rn 37.
[108] Wohingegen nach der Altregelung (§ 434 Abs. 3 BGB alt) die Lieferung einer "anderen Sache" einem Sachmangel gleichstand.
[109] Siehe Rdn 7.
[110] RegE, BT-Drucks 19/27424, S. 25. Insoweit merkt Wilke (VuR 2021, 283, 284 f.) aber richtig an, dass "es (…) nur seltsam an[mutet], ausgerechnet an dieser eher untergeordneten Stelle dem wortreichen Vorbild der Richtlinie (…) die Gefolgschaft zu versagen, anderenorts jedoch rechtlich Überflüssiges offenbar aus Gründen der Klarstellung zu reproduzieren".
[111] Kirchhefer-Lauber, JuS 2021, 918, 920.
[112] Was unter der Geltung der VerbrGKRL als richtlinienkonform galt: Wilke, VuR 2021, 283, 285.
[113] Auch die analoge Formulierung in Art. 35 Abs. 1 CSIG soll sowohl Zuviel- als auch Zuweniglieferungen erfassen: Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 35 CSIG Rn 8 – "Ob dennoch eine teleologische Reduktion der Richtlinienvorgaben erfolgen sollte (…), kann letztlich nur der EuGH klären“: Wilke, VuR 2021, 283, 285, dafür spreche "der Fokus der Warenkauf-RL auf Störungen des Äquivalenzinteresses, welches von einer Zuviellieferung nicht beeinträchtigt wird"" (Wilke, a.a.O.).
[114] In Anlehnung an Brönneke/Föhlisch/Tonner/Brönneke/Schmidt/Willburger, Das neue Schuldrecht, § 4 Rn 11.

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