A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Ehevertragstypologie hängt eng mit der Begrifflichkeit des Ehevertrags zusammen (siehe § 1 Rdn 1 ff.).

Die Vertragstypenlehre von Langenfeld ordnet den in der Lebenswirklichkeit vorkommenden Ehetypen, beispielsweise

Ein- oder Alleinverdienerehe
Zuverdienerehe
Doppelverdienerehe
Rentnerehe
kinderlose Ehe mit Kinderwunsch
endgültig kinderlose Ehe
Ehe mit bereits versorgten Kindern
Unterscheidung nach Lebensalter
nach Vermögen
Unternehmerehe usw.

bestimmte Ehevertragstypen zu.[1]

 

Rz. 2

Je nach Ehetyp, der mit dem gesetzlichen Ehebild abgeglichen wird, ist hiernach eine mehr oder weniger starke Modifizierung der gesetzlichen Regelungen angezeigt.[2]

Entsprechende gesetzliche Vorgaben bestehen nicht. Schon gar nicht existiert ein numerus clausus von Ehevertragstypen, und die Übergänge sind fließend.

Die Ehevertragstypenlehre darf nicht, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt (§ 3 Rdn 6 f.), dazu verleiten, "typengerechte" Eheverträge "von der Stange" zu formulieren. In einem ersten Schritt sollte auf allgemeinerer Ebene auch danach unterschieden werden, aus welcher konkreten Ehesituation heraus eine Regelung gewünscht wird oder zu empfehlen ist.

 

Rz. 3

 

Beispiel Unternehmerehe

Die Besonderheiten der Lehre zur Funktionsäquivalenz zwischen Versorgungs- und Zugewinnausgleich (siehe § 8 Rdn 105 ff.) sind zu beachten, also auch Lebensversicherungsverträge mit Renten- bzw. Kapitalwahlrecht.[3]

[1] Langenfeld/Milzer, Rn 48.
[2] Langenfeld/Milzer, Rn 51.
[3] Vgl. Becker, NotBZ 2015,361, 365.

B. Ehevertrag vor der Krise → rein vorsorgender Ehevertrag

 

Rz. 4

Sein Regelungsbereich betrifft nicht eine bereits durchgeführte oder bevorstehende Trennung. Die Ehe ist intakt. Die Eheleute regeln die Rechtsverhältnisse ihrer Ehe (Ehewirkungen), beziehen aber meistens, wenngleich nicht zwingend, den Fall einer evtl. später erfolgenden Trennung und/oder Scheidung mit ein.

 

Rz. 5

Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen können schon vor der Eheschließung geschlossen werden.[4]

C. Krisenehevertrag → Rettung der Ehe; Ehevertrag in oder aus Verzweiflung

 

Rz. 6

Die Ehe ist nicht mehr intakt.[5] Die Ehegatten wollen sich aber nicht trennen, sondern vor dem Hintergrund der Krise ein Regelwerk errichten, welches Ängste vor Trennungs- und Scheidungsfolgen beseitigt und Vertrauen schafft, um eine Trennung zu verhindern und die Fortsetzung der Ehe zu ermöglichen.

 

Rz. 7

In dieser Situation besteht eine erhöhte Gefahr einseitiger Übervorteilung zulasten desjenigen Ehegatten, der die Ehe retten will und bereit ist, dafür einen hohen Preis zu bezahlen. Die Bezeichnung "Ehevertrag in oder aus Verzweiflung" von Dauner-Lieb[6] ist daher ebenso griffig wie sie diese Gefahr zum Ausdruck bringt.

 

Rz. 8

Eine besonders hinterlistige Taktik ist, dem anderen Ehegatten wahrheitswidrig eine Versöhnungs- bzw. Ehefortführungsabsicht vorzuspiegeln und ihn dadurch zu Zugeständnissen zu bewegen.

 

Rz. 9

 

Beispiel

M hat einen hohen Zugewinn erzielt und ist fest und endgültig zu Trennung und Scheidung entschlossen. F bittet ihn inständig, die Ehe fortzusetzen. M willigt ein, aber nur unter der Voraussetzung, dass F zuvor einen Gütertrennungsvertrag unterschreibt. In Wahrheit besteht seine Trennungsabsicht unverändert fort. Nach einer Schamfrist von einem Jahr trennt sich M doch von F.

 

Rz. 10

F kann den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten, ist aber voll beweisbelastet. Den Beweis wird sie nicht führen können.[7]

 

Rz. 11

Muster 4.1: Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft

 

Muster 4.1: Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft

Eine entsprechende Vertragsklausel hätte das Risiko der F vermindert:

"Die Ehegatten vereinbaren für ihre Ehe Gütertrennung. Hierbei gehen sie davon aus, dass es bis zum _________________________ nicht zu einer Trennung kommt. Für den anderen Fall verpflichtet sich M, sich nicht auf die vereinbarte Gütertrennung zu berufen und einen Zugewinnausgleichs analog der gesetzlichen Vorschriften für den Zeitraum von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu zahlen."

[5] Dauner-Lieb, FF 2010, 343, 347.
[6] Dauner-Lieb, FF 2010, 343, 345.
[7] Hoffmann, FF 2004, 7 Fn 39.

D. Trennungsvertrag → Regelung der Trennung

 

Rz. 12

Die Ehegatten leben getrennt. Ein Scheidungsantrag kann oder soll noch nicht gestellt werden. Die rechtlichen Folgen der Trennung sind virulent geworden oder drohen es zu werden.

E. Scheidungsfolgenvertrag → Regelung der Scheidung

 

Rz. 13

Die Scheidung ist beabsichtigt oder bereits rechtshängig. Die Scheidungsfolgen sollen vertraglich geregelt werden im Interesse

der Kosten
einer schnellen Scheidung
und/oder einer Geringhaltung der seelischen Belastung aller Beteiligter incl. der Kinder
einer inhaltlich erweiterten interessengerechten Gestaltung.

F. Verträge nach Rechtskraft der Ehescheidung

 

Rz. 14

Konnten sich die Ehegatten vorher nicht einigen oder entsteht ein Regelungsbedarf erst nach Scheidungsrechtskraft, ist ein Vertragsschluss auch dann noch möglich, wenngleich nicht mehr als Ehevertrag (vgl. zur zeitlichen Abgrenzung § 1 Rdn 67 ff.) und mit erheblichen Einschränkungen insbesondere hinsichtlich des Versorgungsausgleichs. Die strengen speziell familienrechtlichen Formvorschriften gelten nicht mehr, selbstverständlich aber d...

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