Rz. 67

Aufgrund ihrer Vertragsfreiheit können Mann und Frau zu jedem Zeitpunkt miteinander Verträge schließen, das ist klar.

 

Rz. 68

Gleichwohl kommt es darauf an, ob es sich dabei im Einzelfall auch um einen Ehevertrag handelt, denn davon hängt schon für die Gültigkeit des Vertrages viel ab (Formvorschriften, gesetzliche Verbote, Inhalts- und Ausübungskontrolle usw., siehe unten § 6 Rdn 1 ff., § 8 Rdn 1 ff., 70 ff.).

Die möglichen Konstellationen lassen sich tabellarisch wie folgt darstellen (+ = Ehevertrag ja, – = Ehevertrag nein):

 

Rz. 69

 
Regelungszeitpunkt vor der Ehe in der Ehe vor der Trennung in der Ehe nach der Trennung nach der Scheidung
Regelungszeitraum        
bis zur Eheschließung (–) (–) (–) (–)
Eheschließung bis zur Trennung (+) (+) (+) (–)
Eheschließung nach der Trennung (+) (+) (+) (–)
nach der Scheidung (+) (+) (+) (–)
 

Rz. 70

Man sieht:

1. Verträge, die nach der Ehe geschlossen werden, sind grundsätzlich keine Eheverträge. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn die Ehegatten geschieden sind und wieder heiraten wollen. Dann würde ein Vertrag zwar nach der ersten, aber vor der zweiten Ehe geschlossen und wäre daher Ehevertrag im Sinne des Familienrechts ("nach der Ehe ist vor der Ehe").

2. Es kommt nicht auf den Regelungszeitpunkt, sondern vor allem auf den Regelungszeitraum an. Für diesen haben sich verschiedene Begriffe etabliert, die aber nichts daran ändern, dass es sich jeweils um einen Ehevertrag handelt und für das vereinbarte Regelwerk daher für den jeweiligen Regelungspunkt die für diesen einschlägigen ehevertraglichen Vorschriften gelten, auch wenn das Regelwerk als Trennungsvertrag oder Scheidungsfolgenvertrag bezeichnet wird.

 

Rz. 71

 
Regelungszeitpunkt vor der Ehe in der Ehe vor der Trennung in der Ehe nach der Trennung

nach der Scheidung

(nicht mehr möglich beim rechtskräftigen Versorgungsausgleich)
Regelungszeitraum →        
Eheschließung bis zur Trennung Ehevertrag
Eheschließung nach der Trennung Trennungsvertrag
nach der Scheidung Scheidungsfolgenvertrag
 

Rz. 72

Selbstverständlich können verschiedene Regelungszeiträume in einem einzigen Vertrag geregelt werden. Ebenso selbstverständlich ist, dass solche Regelwerke unterschiedlich bezeichnet werden können, ohne dass sich etwas daran ändert, dass für sie dieselben Vorschriften gelten, nämlich diejenigen für den Ehevertrag.

 

Rz. 73

 

Beispiel

M und F vereinbaren für ihre Ehe den Güterstand der Gütertrennung, für die Zeit von der Trennung bis zur Scheidung, dass F die Ehewohnung allein nutzen darf, und für die Zeit nach der Scheidung regeln sie den Ehegattenunterhalt.

Ein solches Regelwerk kann überschrieben werden mit "Ehe- Trennungs- und Scheidungsfolgenvertrag".

 

Rz. 74

Unabhängig von der unterschiedlichen formellen Begrifflichkeit gibt es für die einzelnen Regelungszeiträume auch materielle Unterschiede.

 

Rz. 75

 

Beispiele

1. Die Regelung des Versorgungsausgleichs ist kein Regelungsgegenstand für die Trennungszeit.

2. Die Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen beinhaltet neben einem objektiven Kriterium (Was wird geregelt? – Kernbereichslehre des Bundesgerichtshofs, siehe § 8 Rdn 92 ff.) auch ein subjektives Moment, nämlich der strukturellen Unterlegenheit. Dieses wird nach dem Scheitern der Ehe selten vorkommen, weil ein Junktim zwischen Vertragsschluss und Eheschließung oder -fortsetzung nicht in Betracht kommt. Bei einer Trennungs-, erst recht bei einer Scheidungsfolgenvereinbarung liegt – im Gegensatz zum vorsorgenden Ehevertrag – das Scheitern der Ehe bereits in der Vergangenheit, sodass eine Missbrauchskontrolle aufgrund einer nach Vertragsschluss erfolgten Veränderung der tatsächlichen Umstände in der Regel ausscheiden wird.[36]

 

Rz. 76

Auch wenn die Regelung des Zeitraums bis zur Eheschließung nicht Ehevertrag sein kann, ist es doch unschädlich, wenn eine solche in einen Ehevertrag mit aufgenommen wird. Es gelten dann für die jeweilige Klausel nur nicht die Vorschriften für den Ehevertrag.

 

Rz. 77

 

Ergänzung des vorstehenden Beispiels um die Klausel

"M und F sind sich darin einig, dass es in der Zeit des vorehelichen Zusammenlebens zu einer Vermögensübertragung des M an F in Höhe von 100.000 EUR gekommen ist. Beide vereinbaren, dass im Fall einer Scheidung F an M hierfür einen Ausgleichsbetrag von 50.000 EUR zu zahlen hat ungeachtet des etwaigen gesetzlichen Zugewinnausgleichs.[37]"

Sollte jedoch vereinbart werden:

"M und F sind sich darin einig, dass der Zuwendungsbetrag von 100.000 EUR im Falle einer Scheidung nicht als Anfangsvermögen i.S.v. § 1374 Abs. 1 BGB gilt",

würde es sich um eine ehevertragliche Regelung handeln, weil eine solche Klausel den gesetzlichen Zugewinnausgleich modifiziert.

[37] Weitere in einem solchen Fall empfehlenswerte Regelungen sind an dieser Stelle nicht zu erörtern.

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