Rz. 294

Flächendeckend kann die Änderungskündigung bei der Änderung der örtlichen Lage der Betriebsstätte zur Anwendung kommen. Wie bereits unter Rdn 123 ff. ausgeführt, wird bei einer Betriebsänderung, die eine Verlagerung der Betriebsstätte zum Gegenstand hat, individualrechtlich für die Arbeitsvertragsparteien von Bedeutung sein, ob der Arbeitgeber per Direktionsrecht den Arbeitnehmer anweisen kann, an dieser neuen Betriebsstätte tätig zu sein. Falls das einzelvertragliche Weisungsrecht dazu nicht ausreicht oder, was häufig der Fall ist, sich nicht mit genügend rechtlicher Klarheit aus dem aus dem Arbeitsvertrag ergibt, ob die Befugnis so weitgehend ist, wird der Arbeitgeber nicht nur den Arbeitnehmer einzelvertraglich anweisen, sondern (auch) eine Änderungskündigung aussprechen.

1. Wesen der Änderungskündigung

 

Rz. 295

Nach der Legaldefinition des § 3 KSchG ist eine Änderungskündigung gegeben, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet. Die Änderungskündigung besteht aus zwei Willenserklärungen – der Kündigungserklärung und der Angebotserklärung.[544]

 

Rz. 296

Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB erstreckt sich auf die Kündigungserklärung und das Änderungsangebot.[545] Die Änderungskündigung muss eindeutig bestimmt oder doch bestimmbar sein.[546] Zur Eindeutigkeit der Änderungskündigung gehört auch die genaue Bezeichnung der neuen Arbeitsbedingungen. Für den Arbeitnehmer muss ohne Weiteres erkennbar sein, welche Vertragsbedingungen zukünftig gelten sollen. Nur so kann er innerhalb der relativ kurzen Zeit entscheiden, ob er das Angebot ablehnt oder es ohne oder mit Vorbehalt annimmt. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen.[547]

2. Änderungskündigung und Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers

 

Rz. 297

Der Arbeitnehmer hat nach Zugang der Änderungskündigung drei Möglichkeiten, auf diese zu reagieren:

Der Arbeitnehmer kann das Änderungsangebot ohne Vorbehalt annehmen. Die Frist zur Annahme des Änderungsangebots darf die Frist des § 2 S. 2 KSchG – drei Wochen nach Zugang – nicht unterschreiten.[548] Die vorbehaltlose Annahme eines in einer Änderungskündigung enthaltenen Änderungsangebots ist grundsätzlich nicht an die Höchstfrist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung entsprechend § 2 S. 2 KSchG gebunden. Der Antragende kann eine Frist zur Annahme des Angebots bestimmen. In diesem Fall kann grundsätzlich die Annahme des Angebots nur innerhalb der bestimmten Frist erfolgen.[549]

 

Rz. 298

Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ab, steht ausschließlich die Rechtswirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Streit. Der Arbeitnehmer muss die "Änderungskündigung" mit einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG angreifen.[550] Auch bei Ablehnung des Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer ist nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf das Änderungsangebot und dessen soziale Rechtfertigung abzustellen.[551]

 

Rz. 299

Der Arbeitnehmer kann das Angebot der geänderten Arbeitsbedingung auch unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingung nicht sozial gerechtfertigt ist. Dies bewirkt, dass der durch die Annahme zustande gekommene Änderungsvertrag unter der mit Rückwirkung ausgestatteten auflösenden Bedingung steht, dass die Sozialwidrigkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen rechtskräftig gerichtlich festgestellt wird.[552] Die Vorbehaltsannahme muss innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung seitens des Arbeitnehmers erklärt werden.[553] Erklärt der Arbeitnehmer diesen Vorbehalt, der an keine bestimmte Form gebunden ist, steht der Bestand des Arbeitsverhältnisses außer Streit.

 

Rz. 300

 

Hinweis

In der Praxis geht es den Arbeitnehmern vielfach darum, das Arbeitsverhältnis nicht vollständig zu gefährden, sondern nur die Änderung der Arbeitsbedingungen überprüfen zu lassen. Aus diesem Grund wird häufig bei Änderungskündigungen, die nicht eine weit entfernte Verlegung des Arbeitsortes zum Gegenstand haben, die Vorbehaltsannahme erklärt.

Vgl. auch unter Rdn 123 ff. zur Betriebsänderung, Versetzung und Änderungskündigung.

 

Rz. 301

 

Hinweis

Da der Zugang der Vorbehaltsannahme vom Arbeitnehmer dargelegt und bewiesen werden muss, sollte sie schriftlich beim Arbeitgeber abgegeben und quittiert werden, sei es unter Zuhilfenahme von Zeugen, sei es mit Einwurfeinschreiben oder Übermittlung per Boten an den Arbeitgeber.

Ferner muss der Arbeitnehmer – neben der Vorbehaltsannahme – drei Wochen nach Zugang der Änderungskündigung Kündigungsschutzklage erheben.

 

Rz. 302

 

Hinweis

Die Einreichung der Kündigungsschutzklage mit der Vorbehaltsannahme mus...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge