Siesta in Deutschland: Hitzefrei im Job?

Heiße Tage mit Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke waren zuletzt auch in Deutschland keine Seltenheit. Aufgrund des Klimawandels könnte sommerliche Hitze hierzulande zur Normalität werden. Doch wie im Arbeitsleben damit umgehen? Amtsärzte haben eine Siesta für deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgeschlagen.

In Deutschland ist die traditionelle Siesta – also eine mehrstündige Mittagspause wie etwa in Spanien – keine gängige Praxis. Die deutsche Arbeitskultur ist in der Regel darauf ausgerichtet, die Mittagspause eher kurz zu halten, um die Arbeitszeit nicht zu stark zu beeinflussen.

Es gibt allerdings bestimmte Branchen und Arbeitsumgebungen, in denen eine Siesta möglicherweise von Vorteil sein könnte. Insbesondere in körperlich anstrengenden Berufen wie im Bauwesen oder in der Landwirtschaft, könnten Ruhephasen während der größten Mittagshitze dazu beitragen, die Ermüdung zu reduzieren und die Gesundheit der Arbeitnehmenden zu schützen.

Auf der anderen Seite könnten die Einführung einer Siesta und die entsprechende Anpassung der Arbeitszeiten zu Herausforderungen führen - besonders in wirtschaftlichen Bereichen, in denen ein kontinuierlicher Betrieb erforderlich ist.

Siesta in Deutschland: Kollision mit bestehendem Arbeitsrecht

Die Einführung einer Siesta und die damit verbundene Verschiebung der Arbeitszeit könnten aber auch mit verschiedenen Gesetzen und Vorgaben kollidieren, insbesondere wenn es um arbeitszeitrechtliche Bestimmungen und individuelle Arbeitsverträge geht. Das Arbeitszeitgesetz regelt die Arbeitszeiten in Deutschland, einschließlich der Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen und Ruhezeiten zwischen den Arbeitstagen. Eine Siesta sollte so gestaltet sein, dass sie im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben steht, insbesondere hinsichtlich der Ruhezeit zwischen den Arbeitstagen.

In Unternehmen, in denen Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge existieren, könnten Regelungen zur Arbeitszeitgestaltung festgelegt sein. Eine Siesta und die Verschiebung der Arbeitszeit müssten dann gegebenenfalls mit dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft verhandelt werden. Die Einführung einer Siesta könnte in Konflikt mit den individuellen Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer stehen, wenn darin z. B. feste Arbeitszeiten vereinbart sind. In solchen Fällen müsste eine einvernehmliche Änderung der Arbeitsverträge erfolgen. Wenn ein Unternehmen bereits Arbeitszeitkonten oder Gleitzeitregelungen für die Arbeitnehmenden hat, müsste eine Siesta möglicherweise in diese Modelle integriert werden. In einigen Berufen oder Branchen könnten darüber hinaus gesundheits- oder arbeitsmedizinische Vorgaben existieren, die die Einführung einer Siesta beeinflussen könnten.

Lange Mittagspause passt schlecht zu den Regelungen im Arbeitszeitgesetz

Soweit es die Arbeitszeit betrifft, darf der Arbeitgeber diese grundsätzlich nicht einseitig verlagern, sondern muss sich an die gesetzlichen Vorgaben halten. Die tägliche Arbeitszeit darf grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten im Durchschnitt acht Stunden pro Arbeitstag nicht überschritten werden.

Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden steht den Arbeitnehmenden eine 30-minütige Pause zu. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden steht eine 45-minütige Pause zu. Pausen können aufgeteilt werden, wenn sie zusammen mindestens die vorgeschriebene Dauer erreichen. Bei der Berechnung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit werden Pausen grundsätzlich nicht mit eingerechnet.

Zwischen zwei Arbeitstagen muss eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden liegen. Sehr früh mit der Arbeit zu beginnen und dann, nach einer längeren Pause von mehreren Stunden, sehr spät aufzuhören, wäre daher nur eingeschränkt mit dem Gesetz in Einklang zu bringen. Ausnahmen von diesen Regelungen sind unter bestimmten Bedingungen möglich, zum Beispiel bei im Gesundheitswesen oder anderen systemrelevanten Berufen.

Arbeitsvertragliche Hindernisse für eine Siesta

Auch die Arbeitszeitregelungen im Arbeitsvertrag können die Möglichkeiten für eine Verlagerung der Arbeitszeit beeinflussen:

  • Wenn der Arbeitsvertrag festlegt, dass die Arbeitszeit flexibel gestaltet werden kann, kann der Arbeitgeber (in Absprache mit dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin) die Arbeitszeit verlagern, solange die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.
      
  • In einem Arbeitsvertrag kann eine Gleitzeitvereinbarung festgehalten werden, die es dem oder der Arbeitnehmenden erlaubt, die Arbeitszeit innerhalb bestimmter Zeitfenster flexibel zu gestalten. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen kann eine Verlagerung der Arbeitszeit erfolgen.
      
  • Manche Arbeitsverträge enthalten eine sogenannte Öffnungsklausel, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, in bestimmten Fällen von den normalen Arbeitszeitregelungen abzuweichen. Dabei müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt und gegebenenfalls der Betriebsrat konsultiert werden.
      
  • Wenn im Arbeitsvertrag bereits konkrete Arbeitszeiten (z. B. von 9:00 bis 17:00 Uhr) festgelegt sind, wird eine Verlagerung der Arbeitszeit außerhalb dieser Zeiten ohne Zustimmung des oder der Arbeitnehmenden in der Regel nicht möglich sein.

Siesta per Direktionsrecht anordnen?

Der Arbeitgeber kann die Arbeitszeit auch grundsätzlich im Rahmen seines sogenannten Direktionsrechts ändern. Das Direktionsrecht ist ein wichtiger Grundsatz des Arbeitsrechts in Deutschland und erlaubt es dem Arbeitgeber, Weisungen hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsweise zu erteilen.

Allerdings gibt es hierbei Einschränkungen und Grenzen, die zu beachten sind:

  • Wenn der Arbeitgeber eine dauerhafte Veränderung der Arbeitszeit vornehmen möchte, die erheblich von der vereinbarten Arbeitszeit im Arbeitsvertrag abweicht, kann dies als Änderungskündigung betrachtet werden. In diesem Fall muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen und dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin gleichzeitig ein neues Arbeitsvertragsangebot mit den geänderten Arbeitsbedingungen unterbreiten. Der oder die Arbeitnehmende hat dann die Wahl, das geänderte Angebot anzunehmen oder die Kündigung abzulehnen und auf Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zu bestehen.
      
  • Grundsätzlich darf die Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten nur aus sachlichen Gründen geändert werden. Hierbei muss der Arbeitgeber insbesondere darauf achten, dass eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten vermieden wird.
      
  • Insgesamt hat der Arbeitgeber bei jeder Ausübung seines Direktionsrechts die individuellen Belange und Interessen der betroffenen Arbeitnehmenden zu berücksichtigen.

Siesta im Sommer: Mögliche Handlungsoptionen

Bevor der Arbeitgeber die Arbeitszeiten anpasst und dadurch auch in die Erholungszeit der Arbeitnehmenden eingreift, sollten verschiedene Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um Konflikte zu vermeiden und die Interessen der Arbeitnehmenden zu berücksichtigen:

  • Wenn ein Betriebsrat im Unternehmen besteht, kann der Arbeitgeber versuchen, mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeitgestaltung zu treffen. Solche Vereinbarungen können Regelungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, Schichtmodelle oder andere Arbeitszeitmodelle enthalten.
      
  • Der Arbeitgeber kann Arbeitszeitkonten einführen, auf denen Überstunden und Minusstunden gesammelt werden. Dies ermöglicht es den Arbeitnehmenden, ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten.
     
  • Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmenden freiwillige Angebote zur Arbeitszeitflexibilisierung machen, wie beispielsweise Homeoffice-Optionen, Gleitzeitregelungen oder reduzierte Arbeitszeitmodelle.


Das könnte Sie auch interessieren:

Haben Beschäftigte ein Recht auf Hitzefrei?

Arbeitszeitkonto: Diese rechtlichen Vorgaben gelten für Arbeitgeber

Modelle der Viertagewoche: Was Unternehmen beachten sollten

Zehn Empfehlungen zur Umsetzung hybrider Arbeitsmodelle