Rz. 3

Besondere Bedeutung für die Berechnung der insbesondere außergerichtlichen Anwaltstätigkeiten hat die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Der Anwendungsbereich der Geschäftsgebühr lässt sich im Wesentlichen in vier Gruppen unterteilen:

Tätigkeiten außerhalb gerichtlicher und behördlicher Verfahren.

Hierzu zählen z. B. die außergerichtliche Regelung von Schadenersatzansprüchen, anwaltliche Aufforderungsschreiben, außergerichtliche Vergleichs- bzw. Einigungsverhandlungen.

 

Beispiel:

Außergerichtliche Regulierung eines Verkehrsunfalls mit der gegnerischen Versicherung oder der eigenen Vollkaskoversicherung.

Tätigkeiten im Sinne einer vorsorgenden Rechtsbetreuung.

Hierzu zählen z. B. die Anfertigung von Vertragsentwürfen und die Mitwirkung bei Gesellschaftsgründungen. Voraussetzung ist, dass ein Anwaltsnotar als Rechtsanwalt und nicht als Notar tätig wird!

 

Beispiel:

Mitwirkung des RA bei der Gestaltung eines Kaufvertrages über einen Handwerksbetrieb (vgl. Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG).

Tätigkeiten in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Dazu gehören beispielsweise folgende Angelegenheiten: Register-, Grundbuch-, Vormundschafts-, Pflegschafts-, Nachlass- und Verschollenheitssachen, sowie bestimmte dem FamFG unterliegende selbstständige Familiensachen. Voraussetzung ist, dass ein Anwaltsnotar als Rechtsanwalt und nicht als Notar tätig wird!

 

Beispiel:

Vertretung im Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Todeserklärung.

Verfahren vor Verwaltungsbehörden.

Hier lassen sich z. B. nennen: Vertretung in Verfahren zur Änderung des Familiennamens, in baupolizeilichen und in Sozialhilfeangelegenheiten oder Vertretung in Enteignungsverfahren vor der Verwaltungsbehörde.

 

Beispiel:

RA vertritt Antragsteller bei Antrag auf Änderung des Familiennamens.

 

Rz. 4

 

Hinweis:

Der Entwurf eines Testaments stellt anwaltliche Beratungstätigkeit (§ 34 RVG) und keine Geschäftstätigkeit (Nr. 2300 VV RVG) dar, da keine Vertretung nach außen hin erfolgt. Die Überschrift zu Abschnitt 3 des VV RVG ist "Vertretung". Eine Ausnahme wird für die Geschäftsgebühr nur für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages gemacht (Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG). So der BGH, Urteil vom 22.02.2018 – IX ZR 115/17. Dies gilt laut BGH auch, wenn zwei aufeinander abgestimmte Testamente von Eheleuten entworfen werden.

Der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments von Eheleuten wurde früher von einigen OLGs ähnlich wie ein Vertrag gesehen. Diese Gerichte verkannten jedoch, dass das BGB zwischen Erbvertrag und Testament unterscheidet. Nur der Erbvertrag ist ein Vertrag und ein Testament besteht aus einseitigen Willenserklärungen, selbst wenn es nicht nur eine sondern zwei einseitige Willenserklärungen enthält. Der BGH (Urteil vom 15.04.2021 – IX ZR 143/20) sieht deshalb auch ein gemeinschaftliches Testament nicht als Vertrag – sodass auch für den anwaltlichen Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments eine Ratgebühr (§ 34 RVG) und keine Geschäftsgebühr entsteht. Für den anwaltlichen Entwurf eines Erbvertrages könnte dagegen eine Geschäftsgebühr erhoben werden.

Auch sonstige Erklärungen oder Schreiben, die von dem RA entworfen, aber von seinem Auftraggeber selbst unterzeichnet werden, sind keine Vertretung gegenüber Dritten. Es handelt sich lediglich um einen Rat des RA, wie der Klient das Schreiben verfassen sollte. Dies ist allerdings noch umstritten.

Dem RA ist zu empfehlen, zumindest bei höheren Werten eine Gebührenvereinbarung für Beratungen abzuschließen.

 

Rz. 5

In den nachfolgenden Kapiteln wird die Geschäftsgebühr als die generelle Gebühr für das anwaltliche Betreiben eines Geschäfts in außergerichtlichen Angelegenheiten beschrieben. Jedoch gibt es für einige spezielle Tätigkeiten besondere Vorschriften, die an anderer Stelle dieses Buches behandelt werden – dies zeigt die nachstehende Übersicht.

 

Hinweis:

Das Thema Abmahnungen wird noch in einem besonderen Kapitel "Anwaltliche Aufforderungsschreiben" (Arten, Inhalt und Gebühren) dargestellt. Siehe § 5 Rdn 1 ff.

1. Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, insbesondere Anmerkung Absatz 1

 

Rz. 6

Bei der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG handelt es sich um eine Satzrahmengebühr. Die Höhe des Gebührensatzes ist für jeden Einzelfall vom RA nach seinem – nachvollziehbaren – Ermessen innerhalb des von 0,5 bis 2,5 gesetzten Rahmens gemäß § 14 RVG festzulegen (vgl. § 2 Rdn 108 ff.). Bei durchschnittlichen Angelegenheiten ergäbe sich rein rechnerisch als Mittelsatz ein Gebührensatz von 1,5. Jedoch wurde im RVG eine Kappungsgrenze in der Anmerkung Absatz 1 zu Nr. 2300 VV RVG aufgenommen, wonach bei nicht umfangreicher oder nicht schwieriger Anwaltstätigkeit ein Gebührensatz von nicht mehr als 1,3 gefordert werden darf. Das heißt, dass der RA einen Gebührensatz von mehr als 1,3 (bis zu maximal 2,5) nur dann verlangen kann, wenn entweder Umfang oder Schwierigkeit der Sache über dem Durchschnitt liegen. Ist dies nicht der Fall, darf der Gebührensatz der Geschäftsgebühr nur zwischen 0,5 und 1,3 angesetzt werden, wobei es für Inkassotätigkeiten noch weitere Einschränkungen gibt. Die anderen ...

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