Rz. 23

 

Beispiel:

RAin Rita Richtig erhält von Rudi Ratlos den Auftrag, außergerichtlich die Rückzahlung eines Privatdarlehens von 11.000,00 EUR einzufordern. Herr Ratlos gibt an, dass der Schuldner zwar ein guter Freund sei, nun aber erkläre, unter Freunden müsse man doch nicht so kleinlich sein. Nach Erhalt des Aufforderungsschreibens ruft der Schuldner Onsorg bei Frau Richtig an und behauptet, das angebliche Darlehen sei ein Geschenk gewesen. Nach einem weiteren Beratungsgespräch mit ihrem Mandaten übergibt dieser ihr den damals vorsorglich geschlossenen Darlehensvertrag. Mit einer weiteren Mahnung übersendet Frau Richtig eine Vertragskopie an Onsorg. Daraufhin überweist Onsorg die geforderte Summe einschließlich der Anwaltsvergütung an Frau Richtig, die die 11.000,00 EUR an ihren Klienten weiterleitet.

Insgesamt hat Frau Richtig zwei Stunden mit diesem Fall einer offensichtlich strittigen Forderung zu tun gehabt. Sie führte zwei Gespräche mit ihrem Mandanten, ein längeres Telefongespräch mit dem Schuldner, erstellte zwei Schreiben und leitete den Geldbetrag weiter. Es liegt ein durchschnittlicher Fall vor, sodass eine 1,3 Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anm. Abs. 1 VV RVG) angemessen erscheint. Die Vergütungsrechnung sieht dann so aus:

Gegenstandswert: 11.000,00 EUR

 
1,3

Geschäftsgebühr gem. §§ 2, 13, 14* RVG, Nr. 2300

Anm. Abs. 1 VV RVG
865,80 EUR
 

Hebegebühr gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 1009 VV RVG

(Gegenstandswert: 11.000,00 EUR)
65,00 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
    950,80 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG 180,65 EUR
    1.131,45 EUR
* Da es sich um eine Rahmengebühr handelt, ist auch § 14 RVG zu zitieren.
 

Rz. 24

 

Beispiel:

Assel hat gegen Schlumpf eine offene Forderung von 5.000,00 EUR aus einem Kaufvertrag. Auf eine Mahnung von Assel hat Schlumpf nicht reagiert. Deshalb rät RA Rost seinem Auftraggeber Assel, gegen den Schuldner Schlumpf vorläufig nur außergerichtlich vorzugehen. Nach Erhalt des anwaltlichen Aufforderungsschreibens zahlt der Schuldner den geforderten Betrag direkt an den Gläubiger.

Für die Entgegennahme der Information, die Beratung des Assel und das Anfertigen des Aufforderungsschreibens erhält RA Rost eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG. Da die Forderung sich rechtlich unzweifelhaft aus dem Kaufvertrag ergibt, hat der Fall für den RA keinerlei Schwierigkeit. Der zeitliche Umfang (30 Minuten) ergibt sich daraus, dass das Schreiben einfach zu erstellen und das Informationsgespräch mit dem Auftraggeber nur sehr kurz war. Umfang und Schwierigkeit liegen in diesem Fall deutlich unterhalb des Durchschnitts, also liegt auch der Gebührensatz unterhalb von 1,3 (siehe hierzu auch § 2 Rdn 116 ff.). Die anderen Umstände des § 14 RVG sind unauffällig. Allerdings ist noch nicht entschieden, welcher Absatz der Anmerkungen zu Nr. 2300 VV RVG anzuwenden ist.

So spielen vorstehende Überlegungen in diesem Fall keine Rolle da es sich um den Einzug einer nicht bestrittenen Forderung handelt (der Schuldner hat nicht reagiert, also auch nicht bestritten!). Die Geschäftsgebühr kann also nur nach Nr. 2300 Anm. Abs. 2 Satz 2 VV RVG angesetzt werden (siehe Rdn 60 ff.). Die Vergütungsrechnung des RA Rost sieht dann so aus:

Gegenstandswert: 5.000,00 EUR

 
0,5

Geschäftsgebühr gem. §§ 2, 13* RVG, Nr. 2300

Anm. Abs. 2 S. 2 VV RVG
167,00 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
    187,00 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG 35,53 EUR
    222,53 EUR
* Da es sich in Nr. 2300 Anm. Abs. 2 S. 2 VV RVG nicht um eine Rahmengebühr handelt, ist in diesem Fall § 14 RVG ausnahmsweise nicht zu zitieren.
 

Rz. 25

 

Merke:

Die Geschäftsgebühr ist eine Betriebsgebühr für das meist außergerichtliche Betreiben einer Angelegenheit durch den RA. Der Gebührenrahmen liegt zwischen 0,5 und 2,5, wobei die gesetzliche Schwellengebühr von 1,3 (Kappungsgrenze gemäß Nr. 2300 Anm. Abs. 1 VV RVG) nur überschritten werden darf, wenn Umfang oder Schwierigkeit der Anwaltstätigkeit überdurchschnittlich waren.

Bei Inkassodienstleistungen wegen unbestrittener Forderungen gelten abgesenkte Gebührensätze gemäß Nr. 2300 Anm. Abs. 2 VV RVG (siehe Rdn 60 ff.).

Die Geschäftsgebühr ist auf die in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren entstehende Verfahrensgebühr grundsätzlich zur Hälfte (maximal zu 0,75) anzurechnen.

 

Rz. 26

 

Wichtiger Hinweis:

Um deutlich zu machen, ob eine Geschäftsgebühr für Inkassotätigkeiten bei unbestrittenen Forderungen oder für andere außergerichtliche Aufträge berechnet wird, wird in diesem Buch in den Beispielen angegeben, ob die Gebühr nach Absatz 2 oder nach Absatz 1 der Anmerkungen zu Nr. 2300 VV RVG berechnet wird.

 

Hinweis zu den Übungsaufgaben:

Bei den Übungsaufgaben wird außer bei Inkasso unbestrittener Forderungen die Geschäftsgebühr meistens in diesen Stufen ermittelt: 0,8 – 1,3 – 1,8, ausgenommen sind deutliche Ausnahmefälle. So können Sie...

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