Rz. 129

Handelt es sich nicht um einen "Grenzfall", sondern liegt ein (Rotlicht) Verstoß gegen § 37 StVO vor, stellt sich als Nächstes die Frage, welche Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen im Urteil zu stellen sind (eingehend Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3371 ff.).

 

Rz. 130

Der Verteidiger muss gerade beim Rotlichtverstoß darauf achten, dass das amtsrichterliche Urteil zutreffende tatsächliche Feststellungen zur Tatzeit und zum Tatort enthält. Anders ist die Tat "Rotlichtverstoß", bei der es sich um eine in gleicher Weise vielfach vorkommende Verkehrsordnungswidrigkeit handelt, für den Betroffenen nämlich nicht identifizierbar. Etwas anderes gilt, wenn Besonderheiten vorliegen (OLG Düsseldorf, DAR 1999, 275 = NZV 1999, 343 = VRS 97, 65; OLG Hamm, DAR 1999, 371 = VRS 97, 182 = zfs 2000, 127). Eine Besonderheit in dem Sinne ist es, wenn der Betroffene nach dem Rotlichtverstoß angehalten worden ist. Dann wird er i.d.R. allein schon deswegen die Tat "Rotlichtverstoß" identifizieren können (OLG Hamm, a.a.O.). Allerdings muss diese Besonderheit dann aber auch im Urteil festgestellt sein und darf sich nicht nur aus der Akte ergeben.

 

Hinweis

Gerade bei Rotlichtverstößen sollte der Verteidiger daher schon den Bußgeldbescheid daraufhin überprüfen, ob Tatzeit und -ort überhaupt bzw. zutreffend angegeben sind. Ist das nämlich nicht der Fall, kann der Bußgeldbescheid, wenn keine Besonderheiten, wie z.B. das Anhalten nach dem Rotlichtverstoß, gegeben sind, wegen Verstoßes gegen § 66 OWiG unwirksam sein. Das hat dann zur Folge, dass durch einen solchen Bußgeldbescheid die Verjährung nicht gem. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen wird (s. die Fallgestaltung bei OLG Hamm, a.a.O.).

 

Rz. 131

Hinsichtlich der allgemein zu treffenden tatsächlichen Feststellungen hat die obergerichtliche Rechtsprechung inzwischen die Anforderungen an die tatrichterlichen Urteile gesenkt. Während früher grds. Feststellungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und der vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie Angaben dazu, wie weit der Betroffene noch von der Lichtzeichenanlage entfernt war, als diese von Grün auf Gelb umsprang, verlangt wurden (dazu u.a. OLG Hamburg, DAR 1995, 500; OLG Düsseldorf NZV 1996, 81; vgl. i.Ü. die Nachw. bei Hentschel/König/Dauer/König, § 37 StVO Rn 61), ist die Rechtsprechung davon abgerückt, nachdem der BGH bei den Geschwindigkeitsüberschreitungen vom Tatrichter grds. auch keine detaillierten Feststellungen zur Messmethode mehr verlangt (vgl. Rdn 44; vgl. nur KG, DAR 2016, 214 = VA 2016, 83; VRS 128, 142; OLG Hamm, VRS 85, 464 = NZV 1993, 492; 91, 67; OLG Brandenburg, VA 2004, 176 = VRS 107, 57 = DAR 2004, 657; s. i.Ü. die Nachw. bei Hentschel/König/Dauer/König, a.a.O.). Bei einem innerörtlichen Verstoß, was sich aus dem Urteil ergeben muss (zuletzt OLG Bamberg, DAR 2014, 277 = VA 2014, 83 = VRR 2014, 271 = zfs 2014, 411; OLG Hamm, VA 2011, 34), kann nämlich ohne Weiteres von der normalerweise dort geltenden 50 km/h-Höchstgeschwindigkeit und einer 3 sec. dauernden Gelbphase der Lichtzeichenanlage ausgegangen werden. Das reicht normalerweise aus, um unter normalen Fahrbahnbedingungen bei Aufleuchten des Gelblichts rechtszeitig vor der Kreuzung anhalten oder aber die Kreuzung bei Gelblicht noch passieren zu können (KG, DAR 2016, 214 = VA 2016, 83; OLG Jena, DAR 2006, 164 = VRS 110, 38). Führt das Urteil aber etwa aus, dass die Lichtzeichenanlage eine "kurze Gelbphase" hat, kann dies für eine abweichende Ampelschaltung sprechen. Dann ist die konkrete Mitteilung der Dauer der Gelbphase unverzichtbar (OLG Jena, a.a.O.). Auf nicht normale Fahrbahnbedingungen, wie z.B. Schnee, Glätte usw., muss sich der Betroffene einstellen, indem er seine Geschwindigkeit so wählt, dass er während der Gelbphase sein Fahrzeug noch vor der Haltelinie anhalten kann (Löhle/Beck, DAR 2000, 1, 6, OLG Oldenburg, VA 2008, 154 = VRR 2008, 354 = NZV 2008, 471 für Gefahrguttransporter).

 

Rz. 132

Nach der VwV-StVO zu § 37 StVO muss bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h die Gelbphase 4 sec., bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h 5 sec. betragen. Bei einer zulässigen Geschwindigkeit von mehr als 70 km/h sollen Lichtzeichenanlagen nicht eingerichtet werden. Der Kraftfahrer darf sich auf diese Zeiten einstellen (OLG Bremen, VRS 79, 38; OLG Brandenburg, zfs 2006, 229 = NZV 2006, 219 = DAR 2006, 222). Bestehen Zweifel, ob diese Vorgaben eingehalten sind, muss der Verteidiger bei den zuständigen Verwaltungsbehörden anfragen und/oder in der Hauptverhandlung ggf. einen Beweisantrag auf Beiziehung des sog. Ampelphasenplans stellen.

 

Hinweis

Der Führer eines Fahrzeugs mit einem längeren Bremsweg i.Ü. muss seine Fahrweise so auf die o.a. Dauer der Gelbphase einrichten, dass er zum Halten kommen kann. Er kann sich nicht auf einen längeren Bremsweg berufen (OLG Düsseldorf VRS 57, 144 [Straßenbahn]; VRS 65, 62 [mit Stahl beladener Lkw]; OLG Oldenburg NZV 2008, 471 = VRR 2008, 354 = VA 2008, 154 [Tanklastzug/Gefahrguttransport]).

 

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