Verfahrensgang

AG Göttingen (Entscheidung vom 14.07.2005; Aktenzeichen 36 OWi 86 Js 15534/05 - 314/05)

 

Gründe

I. Im Einspruchsverfahren gegen den Bußgeldbescheid der Stadt Göttingen vom 01.03.2005 hat das Amtsgericht Göttingen den Betroffenen wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 125,00 EUR und einem Fahrverbot von einem Monat (unter Berücksichtigung des § 25 Abs.2 a StVG) verurteilt. Es hat festgestellt, der Betroffene habe am 28.01.2005 in Göttingen auf der Hannoverschen Straße beim Abbiegen nach links auf den Zubringer zur Autobahn A 388 das Rotlicht der dort installierten Ampelanlage missachtet und die Haltelinie überfahren, obwohl das Rotlicht bereits 1,29 Sekunden geleuchtet habe. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Zufahrt zur Lichtzeichenanlage betrage 60 km/h; vor dem Aufleuchten des Rotlichts habe die Ampel 3 Sekunden lang Gelblicht gezeigt.

Der Betroffene wendet sich gegen das angefochtene Urteil, indem er die allgemeine Sachrüge unbeschränkt erhebt; ergänzend führt er aus, dass dem Betroffenen subjektiv nur ein "einfacher Rotlichtverstoß" angelastet werden könne, weil er nach Nr.17 der Verwaltungsvorschriften zu § 37 StVO darauf habe vertrauen dürfen, dass die Gelbphase 4 Sekunden und nicht nur 3 Sekunden betrage, weil auf der Zufahrt zur Lichtzeichenanlage eine gegenüber der allgemeinen Ortsgeschwindigkeit erhöhte Geschwindigkeit von 60 km/h zugelassen gewesen sei. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Göttingen zurückzuverweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt zu beschließen, wie aus dem Tenor ersichtlich ist.

II. Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil vom 14.07.2005 ist zulässig und hinsichtlich des festgesetzten Rechtsfolgenausspruchs auch begründet.

1. Soweit die Rechtsbeschwerde sich gegen die Verurteilung insgesamt, also auch gegen den Schuldspruch richtet, ist sie i.S.d. § 349 Abs.2 StPO i.V.m. § 79 Abs.3 OWiG offensichtlich unbegründet und deshalb auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Verteidigers ohne weiteres zu verwerfen.

2. Die vom Amtsgericht festgesetzten Rechtsfolgen sind jedoch zu mildern, da der Betroffene behandelt werden muss, als hätte er einen einfachen Rotlichtverstoß begangen, d.h. die Haltelinie der Lichtzeichenanlage bereits nach 0,29 Sekunden Rotlicht überfahren. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Senat ausgeführt: "Dem Verteidiger ist darin zuzustimmen, dass nach den Verwaltungsvorschriften zu § 37 StVO bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h die Gelbphase 4 Sekunden umfassen muss (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 37 StVO, Rdn.28). Der Betroffene durfte somit darauf vertrauen, dass die Gelbphase 4 Sekunden beträgt, unabhängig von der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit. Dem Betroffenen kann daher tatsächlich nur eine Rotlichtüberschreitung von 0,29 Sekunden vorgeworfen werden." Diese Ausführungen treffen zu, sodass der Senat sich ihnen anschließt. Die Verwaltungsvorschriften zu § 37 StVO sind zwar keine Rechtssätze, die sich direkt an die Gerichte wenden; vielmehr sind sie unmittelbar nur für die Verwaltungsbehörden verbindlich. Sie sind für die Gerichte jedoch mittelbar von Bedeutung, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Da die Verwaltungsvorschriften sich ausnahmslos an alle mit der Verkehrsregelung und -überwachung befassten Behörden richten, haben sie zugleich die Aufgabe, die Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer in vergleichbaren Situationen sicherzustellen (vgl. OLG Oldenburg NZV 1994, 286 zu der rechtlich vergleichbaren Lage bei den Richtlinien für die Verkehrsüberwachung durch die Polizei).

Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 79 Abs.6 OWiG Gebrauch und entscheidet - unter Absehung von der Zurückverweisung - in der Sache selbst. Es erscheint angemessen, zur Ahndung der Tat ein Bußgeld von 50,00 EUR zu verhängen, wie es in Nr.132 des Bußgeldkatalogs für "einfache Rotlichtverstöße" als Regelbuße vorgesehen ist, denn der Betroffene weist keine Voreintragungen und die Umstände des Falles weisen keine Besonderheiten auf.

III. Da das Rechtsmittel des Betroffenen einen Teilerfolg hat, ist eine Kostenentscheidung nach § 473 Abs.4 StPO angezeigt. Von einem vollen Erfolg des Rechtsmittels, der zu einer völligen Entlastung des Betroffenen von den Kosten geführt hätte, kann aber nicht gesprochen werden, da der Betroffene die Rechtsbeschwerde ausdrücklich nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, sondern das amtsgerichtliche Urteil insgesamt angefochten hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2570588

DAR 2006, 222

NZV 2006, 219

ZfS 2006, 229

RdW 2006, 383

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