Rz. 218

Ist in den Urteilsgründen nicht auf das Beweisfoto verwiesen worden, sei es, dass der Tatrichter diese Möglichkeit nicht gesehen hat, sei es, dass das vom Verkehrsverstoß gefertigte Lichtbild wegen schlechter Qualität für eine Verweisung nicht geeignet ist, oder sei es schließlich, dass die Verweisung nicht prozessordnungsgemäß ist (auch Rdn 213 ff.), ist zu prüfen, ob zumindest der dann nach der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 41, 376) erforderliche erhöhte Begründungsaufwand eingehalten worden ist. Es genügt dann nämlich für die Identifizierung des Betroffenen als Fahrer weder, dass der Tatrichter (nur) das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, dass er bloß die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale/Kennzeichen der auf dem Foto abgebildeten Person auflistet (BGH, a.a.O.; ständige Rechtsprechung der Obergerichte, vgl. u.a. OLG Bamberg, DAR 2011, 595, 597; 2012, 215 = NZV 2012, 250; OLG Brandenburg, VA 2015, 211 = VRR 2/2016, 14; Beschl. v. 25.2.2020 – (1 B) 53 Ss-OWi 8/20 (11/20); OLG Düsseldorf, zfs 2004, 337; NZV 2007, 254 = VRS 112, 43 = VRR 2007, 194; OLG Hamm, NZV 2003, 101 = zfs 2003, 154; StraFo 2005, 297; NStZ-RR 2009, 250; Burhoff/Gübner, OWi, Rn 2684 ff.). Vielmehr muss er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto – wegen der fehlenden Verweisung – dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob das Bild für eine Identifizierung geeignet ist (BayObLG, Beschl. v. 18.2.2021 – 202 ObOWi 15/21 m.w.N.; KG, DAR 2006, 158 = VRS 111, 145; Beschl. v. 18.8.2020 – 3 Ws (B) 152/20; OLG Bamberg, NZV 2008, 166 = DAR 2008, 348; OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Düsseldorf, NZV 2007, 254 = VRS 112, 43 = VRR 2007, 194). In diesem Fall muss das Urteil also Ausführungen zur Bildqualität enthalten (zu allem a. Burhoff/Gübner, OWi 2684 ff. m.w.N.).

 

Hinweis

Als noch ausreichend ist in dem Bereich die Formulierung angesehen worden: "Auf dem Originallichtbild in DIN A-5-Vergrößerung ist der Betroffene aber hinreichend klar zu identifizieren" (OLG Hamm, DAR 2000, 417 = NZV 2001, 89) oder "unter ergänzender Bezugnahme auf das Beweisfoto" (OLG Schleswig, SchlHA 2007, 288 bei Döllel/Dreßen).

 

Rz. 219

Hat der Amtsrichter zur Identifizierung des Betroffenen ein anthropologisches Gutachten eingeholt, reicht es nicht aus, wenn er in den Urteilsgründen nur das Ergebnis dieses Gutachtens mitteilt. Vielmehr müssen, da es sich nicht um ein standardisiertes Messverfahren handelt, auch die Anknüpfungstatsachen dargestellt und die das Gutachten tragende fachliche Begründung mitgeteilt werden (u.a. aus neuerer Zeit KG, VRS 131, 197 = 2017, 141; OLG Bamberg, DAR 2017, 89 = VA 2017, 51; 2018, 93; OLG Karlsruhe, VA 2015, 138 = DAR 2015, 401; OLG Koblenz, VRR 2005, 394 = VA 2005, 214 = DAR 2006, 101; Beschl. v. 31.5.2021 – 3 OWi 32 SsBs 97/21, jeweils m.w.N. aus der Rspr.; auch eingehend auch Burhoff/Gübner, OWi, Rn 2686 ff.). Auch sind Angaben zu den sog. Merkmalshäufigkeiten erforderlich. Bei einem anthropologischen Identitätsgutachten handelt es sich nämlich nach wohl herrschender Meinung nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode (auch § 2 Rdn 15 ff.), bei welcher sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken könnte (BGH, NJW 2000, 1350 = NStZ 2000, 106; NZV 2006, 160; KG, VRS 131, 197 = 2017, 141; OLG Bamberg, NZV 2008, 211 = VRS 114, 285; DAR 2010, 390 = StV 2011, 717 = VA 2010, 138 = zfs 2010, 469; OLG Brandenburg, VA 2015, 211 = VRR 2/2016, 14; OLG Hamm DAR 2008, 395 ff. = NStZ-RR 2008, 287 f.; StV 2010, 124 ff.; Beschl. v. 18.12.2012 – III-1 RBs 166/12; OLG Oldenburg, DAR 2009, 43 = NZV 2009, 52 ff.; Beschl. v. 5.2.2013 – 1 Ss 12/13; OLG Jena NStZ-RR 2009, 116; wohl auch OLG ­Koblenz, NZV 2010, 212 f. = VA 2010, 13 = VRR 2010, 194 und KG, VRR 2010, 363 [Ls.] = StRR 2010, 362 [Ls.] = VA 2010, 211; Burhoff/Gübner, OWi, Rn 2688; a.A. zur Angabe der Merkmalshäufigkeit OLG Hamm [4. Senat für Bußgeldsachen], DAR 2008, 395 = NStZ-RR 2008, 287; OLG Oldenburg, a.a.O.; offen gelassen von OLG Hamm, StV 2010, 124 ff. = StraFo 2009, 109 f.).

 

Hinweis

In den Fällen der Einholung eines Gutachtens, wird es sich, wenn der Tatrichter die Feststellung, ob der Betroffene der "Täter" war, (vollständig) aus der Hand gegeben und dem Sachverständigen überlassen hat, aufdrängen, dass der Betroffene die Möglichkeit erhalten muss, den Sachverständigen in angemessener Weise und ausführlich zu befragen und die Richtigkeit seines Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Entsprechende Anträge werden im Zweifel nicht abgelehnt werden dürfen (OLG Düsseldorf, zfs 2008, 704 = VA 2009, 49 unter Hinweis auf das Recht zur "konfrontativen Befragung").

Ein Beweisantrag des Betroffenen auf Vernehmung seines Bruders, der nach dem Vortrag des Betroffenen Fahrer zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung gewesen sei und der dem Betroffenen "wie ein Ei dem anderen" ähnele, kann nicht (nur) mit der Begründung, der Betr...

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