Rz. 79

Bei einer durch Nachfahren festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung sind die Anforderungen der Obergerichte an den Umfang der im Urteil zu treffenden tatsächlichen Feststellungen verhältnismäßig hoch. Das gilt auch noch nach der Rechtsprechung des BGH zum standardisierten Messverfahren (vgl. Rdn 44 ff.).

 

Hinweis

Beim Nachfahren handelt es sich nach der Rechtsprechung der OLG nicht um ein standardisiertes technisches Verfahren (BayObLG, Beschl. v. 18.6.2020 – 201 ObOWi 739/20; KG, VA 2015, 48 = DAR 2015, 99; OLG Hamm, NZV 1995, 199; OLG Köln, DAR 1994, 248; OLG Schleswig, SchlHA 2008, 272 bei Döllel/Dreßen; Krumm, Rn 517; a.A. BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; offen Beck/Berr/Schäpe, Rn 656). Das gilt auch für die Ermittlung der gefahrenen Geschwindigkeit durch Nachfahren und Verwertung des GPS-Signals einer im nachfahrenden Polizeifahrzeug installierten Dash-Cam (OLG Köln, NZV 2019, 266 [Ls.] = VA 2019, 67).

Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung gestellten hohen Anforderungen werden von den Tatgerichten aber häufig übersehen, weshalb nicht genügende Feststellungen getroffen werden, was auf die Rechtsbeschwerde hin dann zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils führen kann.

 

Rz. 80

Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren beruht die Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung darauf, dass die vom Betroffenen gefahrene – zu hohe – Geschwindigkeit durch Ablesen vom Tachometer des nachfahrenden Messfahrzeugs gemessen wird (vgl. § 1 Rdn 1264 ff.; Burhoff/Eichler/D. Schäfer/M. Grün/Pichler, OWi, Rn 2107 ff. m.w.N.). Wenn dieses Verfahren mit äußerster Sorgfalt durchgeführt wird und die Anforderungen an die Messmethode beachtet werden, ist in der Rechtsprechung auch diese Art der Geschwindigkeitsmessung als zuverlässig und beweiserheblich anerkannt (u.a. OLG Braunschweig, DAR 1989, 110; OLG Düsseldorf, DAR 1994, 326; OLG Hamm, VRS 75, 37; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2344). Darüber hinaus ist es i.Ü. eine Frage der freien Beweiswürdigung durch den Tatrichter, ob er eine Messung, die unter Nichtbeachtung bestimmter – von der obergerichtlichen Rechtsprechung geforderter – Grundsätze durchgeführt wurde, für verwertbar hält oder nicht bzw. ob er dann weitere Toleranzen einräumt (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

 

Rz. 81

Das tatrichterliche Urteil muss bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Tageszeit folgende Angaben enthalten (wegen der Einzelh. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2341 ff.; Hentschel/König/Dauer/König, § 3 StVO Rn 62 m.w.N.; Krumm, DAR 2022, 404, 405 ff.; BayObLG, Beschl. v. 18.6.2020 – 201 ObOWi 739/20; OLG Celle, VA 2005, 215; OLG Hamm, VA 2007, 73 = NJW 2007, 1298 = NZV 2007, 257; VRS 112, 40; 113, 302; VRR 2008, 432 m. Anm. Lange; OLG Naumburg, VRS 94, 298; OLG Schleswig, SchlHA 2008, 272 bei Döllel/Dreßen; zuletzt KG, VA 2015, 48 = DAR 2015, 99):

 

Hinweis

Übersehen werden darf bei der Prüfung des tatrichterlichen Urteils in diesem Zusammenhang allerdings Folgendes nicht: Die nachfolgend dargestellten Grundsätze hinsichtlich der Anforderungen an die Feststellungen gelten dann nicht, wenn der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung eingeräumt/gestanden hat. Denn auch in den Fällen der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit kann die Verurteilung des Betroffenen auf ein Geständnis gestützt werden, allerdings muss es sich auch hier um ein glaubhaftes und uneingeschränktes Geständnis im eigentlichen Sinn handeln (OLG Hamm, VRS 96, 458; zfs 1999, 84). Insoweit gelten die zur "normalen" Geschwindigkeitsmessung gemachten Ausführungen entsprechend (dazu Rdn 66 ff.).

 

Rz. 82

Auf folgende Urteilsfeststellungen ist zu achten:

Angegeben werden muss die Länge der Messstrecke (KG, a.a.O.; OLG Hamm, VRR 2008, 432). Dabei können die Angaben aber Circa-Angaben sein (OLG Düsseldorf, DAR 1994, 326). Die Messstrecke soll möglichst gerade sein und in Abhängigkeit zur Geschwindigkeit eine gewisse Mindestlänge aufweisen, die umso länger sein soll, je höher die gefahrene Geschwindigkeit ist. Also z.B. bei einer Geschwindigkeitsmessung auf einer Autobahn bei einer Geschwindigkeit von 91 bis 120 km/h nicht unter 500 m (OLG Bamberg, DAR 2006, 517; vgl. wegen der Einzelh. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2350 f. m.w.N. und die entsprechenden Richtlinien, wie z.B. die VÜ Richtlinien zur Geschwindigkeitsüberwachung § 4 Rdn 1 ff.).
Darzulegen ist weiterhin die Länge des Verfolgungsabstands, also der sog. gleich bleibende Abstand des nachfahrenden Polizeifahrzeugs zum vorausfahrenden Betroffenen (KG, a.a.O.; OLG Hamm, VRR 2008, 432). Der Verfolgungsabstand, den das nachfahrende Polizeifahrzeug einhalten muss, darf nach der Rechtsprechung nicht zu groß und muss möglichst gleich bleibend sein, wobei es auch hier auf die Umstände des Einzelfalls ankommen kann, etwa, wenn sich ein an sich zu großer Abstand während der Messung sogar noch vergrößert (dazu z.B. OLG Düsseldorf, NZV 1993, 280; OLG Koblenz, DAR 1990, 390 und wegen weit. Einzelh. und Rechtsprechung-Nachw. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2352 ff.). Nach Auff...

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