Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde. Aufhebung. Zurückverweisung. Geschwindigkeitsüberschreitung. außerhalb. Bundesstraße. Pkw. Privatfahrzeug. Bußgeld. Fahrverbot. Urteilsgründe. lückenhaft. Beweiswürdiung. Nachfahren. Nachfahrmessung. Nachfahrstrecke. Navigationsgerät. GPS. GPS-Signal. Streckenbegrenzungspfosten. Mindeststrecke. Toleranz. Toleranzabzug. geeicht. ungeeicht. Tacho. Tachometer. Tachometerabweichung. Messverfahren. Messbeginn. Messende. standardisiert. nichtstandardisiert. Sichtverhältnisse. Abstand. Abstandsverringerung. Sicherheitsabschlag. Fehlerquelle. Geschwindigkeitsanzeige. Reifen. Reifenverschleiß. Reifenluftdruck. Reifenfertigungstoleranz. Antriebsschlupf. Stoppuhr. Dash-Cam. Sachverständiger. Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen bei nichtstandardisierter Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit Navigationsgerät im Privatfahrzeug

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mittels eines (ungeeichten) Navigationsgerätes in einem Privatfahrzeug sind zur Nachprüfung einer zugunsten des Betroffenen ausreichenden Messtoleranz tatrichterliche Feststellungen zur Art des Gerätes und dessen konkreter Funktionsweise für eine zuverlässige Ermittlung der Geschwindigkeit unabdingbar.

 

Normenkette

StVG § 25 Abs. 1, 2a; StVZO § 57 Abs. 2; StPO §§ 261, 267, 353 Abs. 1; OWiG § 7 Abs. 1, § 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 1, § 79 Abs. 6; EWG-RL 75/443 Anhang II Nr. 4.3; EWG-RL 75/443 Anhang II Nr. 4.4

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 06.02.2020 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht sprach den Betroffenen aufgrund der Hauptverhandlung vom 06.02.2020 schuldig, vorsätzlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um mindestens 41 km/h überschritten zu haben, und verhängte deshalb eine Geldbuße von 320 Euro sowie ein mit der Vollstreckungserleichterung nach § 25 Abs. 2a StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats. Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 19.05.2020 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des Amtsgerichts vom 06.02.2020 mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat - zumindest vorläufig - Erfolg, weil die Urteilsgründe hinsichtlich der getroffenen Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung des Betroffenen lückenhaft sind. Das Urteil enthält insoweit keine den Mindestanforderungen der §§ 261 , 267 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG genügende Beweiswürdigung. Auf die erhobenen Formalrügen kommt es deshalb nicht an.

1. Zwar sind im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Dennoch kann für deren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren gelten, denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (vgl. Göhler/ Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 71 Rn. 42, 43 m.w.N.). Hinsichtlich der Beweiswürdigung müssen die Urteilsgründe regelmäßig auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Richter der Einlassung folgt und inwieweit er die Einlassung für widerlegt ansieht. Nur so ist gewährleistet, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Beweiswürdigung auf Rechtsfehler überprüfen kann (KK/ Senge OWiG 5. Aufl. § 71 Rn. 107 m.w.N.; Göhler/ Seitz/Bauer a.a.O. Rn. 43, 43a m.w.N.).

2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.

a) Der Tatrichter stellt fest, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften mit seinem Pkw um mindestens 41 km/h überschritten habe und statt der zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h wenigstens 141 km/h gefahren sei. Die Messung der Geschwindigkeit sei durch den Zeugen PHM L. erfolgt, der mit seinem Privat-Pkw auf der B 14 in Richtung T. über eine Strecke von etwa 500 Metern mit ...

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