Rz. 10

Schon sehr bald nach Bekanntwerden der Entscheidung des BVerfG v. 11.8.2009 (BVerfG, NJW 2009, 3293 = zfs 2009, 589 haben sich dann fast alle OLG mit der Frage der Ermächtigungsgrundlage beschäftigt. In der Diskussion sind weitgehend alle OLG davon ausgegangen, dass das § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO ist (grundlegend zunächst OLG Bamberg, NJW 2010, 100 = = DAR 2010, 26 = zfs 2010, 50; vgl. die Zusammenstellung der Rspr. in der Voraufl. § 3 Rn 20; teilweise a.A. OLG Düsseldorf, NZV 2010, 263 = DAR 2010, 213 m. Anm. Krumm; OLG Dresden, DAR 2010, 210; OLG Hamm, DAR 2010, 212; zu den Rechtsgrundlagen der staatlichen Verkehrsüberwachung auch noch einmal Müller, NZV 2016, 254). Das hat das BVerfG nicht beanstandet (BVerfG, NJW 2010, 2717 = DAR 2010, 508; DAR 2010, 574).

 

Hinweis

Damit sind die zugrunde liegenden (Rechts) Fragen endgültig geklärt (auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.5.2012 – 1 [3] SsBs 8/12, dass mit der Begründung die Rechtsbeschwerde gegen ein freisprechendes Urteil des AG Baden-Baden nicht zugelassen hat; OLG Köln, zfs 2017, 294).

 

Rz. 11

Als Verteidiger muss sich auf diesen Stand der Rechtsprechung wie folgt einstellen (vgl. a. Rdn 5):

Die h.M. in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass bei verdachtsabhängigen Messverfahren § 100h StPO als Ermächtigungsgrundlage zugrunde zu legen ist, ist durch die Rspr. des BVerfG bestätigt (s. die Nachw. bei Rdn 10). Entgegenstehende Rechtsprechung ist überholt. Der Verteidiger muss sich daher überlegen, ob es überhaupt noch Sinn macht, sich auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Videomessung zu berufen (verneinend Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi, Rn 646 [keine "seriöse Verteidigungsstrategie"]).
Entscheidet man sich dennoch, sich auf diese Rechtsprechung zu berufen, muss die Diskussion ggf. an anderer Stelle als der der Ermächtigungsgrundlage geführt werden, nämlich bei der Frage, wann der von § 100h StPO geforderte Anfangsverdacht gegeben ist. Dazu wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten, dass dieser nicht erst von der Überwachungskamera bei Überschreiten eines Grenzwertes ausgelöst werde, sondern bereits von dem Messbeamten beim Einstellen des Grenzwertes an der Kamera vor Beginn der eigentlichen Messung (dazu OLG Brandenburg, NJW 2010, 1472 = VRS 118, 290 für eso ES 3.0; vgl. zu dem OLG Celle, StraFo 2010, 247 = NZV 2010, 363; auch noch OLG Dresden, DAR 2011, 216). Dem ist m.E. entgegen zu halten, dass es einen "bedingten Anfangsverdacht" nicht gibt und immer eine menschliche Entscheidung für die Bejahung eines Anfangsverdachts erforderlich ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 152 Rn 4 und Einl. Rn 76 m.w.N.; auch BGHSt 51, 72). Hier würde der Anfangsverdacht aber durch die Software einer Maschine ausgelöst (Roggan, NJW 2009, 1042, 1045; auch BVerfGE 120, 378 = NJW 2008, 1505; ähnlich OLG Hamm, VRR 2010, 114; auch Elsner, DAR 2010, 164, 166 f.); die kann aber nicht die für die Auslösung des Anfangsverdachts erforderliche Einzelfallentscheidung treffen (zu allem eingehend auch Niehaus, DAR 2009, 632, 633 f. und Wilcken, NZV 2011, 67 ff., der von einem "verkappten Generalverdacht" spricht). Das BVerfG scheint das aber anders zu sehen. Jedenfalls muss/kann man das aus dem Beschl. v. 5.7.2010 (NJW 2010, 2717 = DAR 2010, 508) folgern: Nicht nur, dass ausdrücklich auf diese Problematik nicht eingegangen wird, das BVerfG (a.a.O.) weist vielmehr ausdrücklich darauf hin: "Im angegriffenen Beschluss wird nachvollziehbar dargelegt, dass der erforderliche Tatverdacht vorlag" (auch noch OLG Bamberg, DAR 2010, 279). Auch insoweit dürfte die Diskussion damit zu Ende sein). Hinzu kommt, dass z.B. das Verfahren "VKS – Typ "Select" die früher eingesetzten Videoüberwachungsmaßnahmen auf BAB weitgehend ersetzt hat (dazu § 1 Rdn 356 ff. und Schmedding, DAR 2010, 426; Löhle, DAR 2016, 161) und sich auch von daher die Diskussion weitgehend erledigt hat (zu "VKS select" s.a. OLG Bamberg, VM 2015 Nr. 65)."

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