Rz. 356

Die im Folgenden aufgeführten Messverfahren wurden von der jeweiligen Länderpolizei in eigener Verantwortung entwickelt. In allen Verfahren werden durch Markierungen auf der Fahrbahn Messstrecken eingerichtet und anschließend Zeitmessungen zur Bestimmung von Geschwindigkeit und Abstand durchgeführt. Lediglich das VKS-Verfahren stellt eine unternehmerische Variante mit zugleich abweichender Auswerteweise dar.

1. VKS 3.0

 

Rz. 357

 

Wichtige Entscheidungen:

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.4.2016 – 3 (4) SsBs 121/16
OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2014 – 3 RBs 264/14
OLG Hamm, Beschl. v. 9.7.2013 – 1 RBs 78/13
BVerfG, Beschl. v. 11.8.2009 – 2 BvR 941/08
AG Schweinfurt, Urt. v. 31.8.2009 – 12 OWi 17 Js 7822/09
AG Meißen, Beschl. v. 5.10.2009 – 13 OWi 705 Js 54110/08
OLG Dresden, Beschl. v. 8.7.2005 – Ss (OWi) 801/04
OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.11.2009 – Ss Bs 186/09
OLG Rostock, Beschl. v. 16.11.2009 – 2 Ss Owi 257/09

a) Einleitung

 

Rz. 358

Hersteller und Vertreiber des VKS (Verkehrs-Kontroll-System) vom Typ 3.0 ist die Vidit Systems GmbH mit Sitz in Bingen am Rhein. Das Messsystem basiert auf einer Videoaufzeichnung und kann sowohl für Abstands- als auch Geschwindigkeitsmessungen verwendet werden. Das VKS 3.0 zählt zu den "Standardisierten Messverfahren" und unterliegt der Eichpflicht.

 

Rz. 359

Bekannt geworden war dieses Messsystem nach seiner Einführung vor allem durch ein Urteil des BVerfG vom 11.8.2009, das aufgrund der fortlaufenden und verdachtsunabhängigen Videografie der den Messbereich durchfahrenden Fahrzeuge zu dem Ergebnis eines Beweisverwertungsverbotes kam (Az. 2 BvR 941/08). Die Amtsgerichte folgten diesem Urteil, so dass reihenweise Verfahren mit dem VKS eingestellt wurden.

 

Rz. 360

Als Antwort auf dieses Urteil wird das VKS heute zusammen mit einem sogenannten "Select-Modul" betrieben, das eine Vorselektion der den Messbereich durchfahrenden Fahrzeuge vornimmt und nur noch in konkreten Verdachtsfällen durch die Identifizierungskamera acht Einzelbilder zur Fahrer- und Kennzeichenidentifikation fertigt.

 

Rz. 361

Verwendung findet das VKS 3.0 in einer mobilen Form (PTB-Zulassungszeichen 18.19/01.02) sowie als VKS 3.01 in einer stationären, fest in einer Tragkonstruktion (ähnlich einer Verkehrszeichenbrücke) verbauten, Ausführung (PTB-Zulassungszeichen 18.19/04.01).

 

Rz. 362

Hinsichtlich der Hard- und Software sind die technisch relevanten Komponenten der mobilen und stationären Variante heutzutage baugleich.

Da der überwiegenden Zahl an Ordnungswidrigkeitenverfahren eine Messung mit dem mobilen VKS 3.0 zugrunde liegt, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf eben dieses System mit der typischerweise verwendeten Softwareversion 3.2 3D.

b) Heutige Funktionsweise

 

Rz. 363

Gemäß Bauartzulassung erfolgt die Ermittlung von Geschwindigkeiten einzelner Fahrzeuge, Geschwindigkeitsdifferenzen und Abständen zwischen Fahrzeugen durch die Auswertung einer erstellten Videoaufzeichnung. Hierzu wird und bleibt der Hauptbestandteil des Messsystems (Stromversorgung, Kodierer, Dekodierer, Monitore etc.) in einem Fahrzeug verbaut. Lediglich die Kameras zur Aufzeichnung des Beobachtungs- und Messbereiches (Tatkamera) und zur Fahrzeugidentifikation (Ident-Kamera(s)) werden während des Messbetriebs außerhalb des Fahrzeugs aufgestellt.

 

Rz. 364

Als Standort für die Tatkamera schreibt die Gebrauchsanweisung eine feste (im Sinne von "unbewegliche") Aufstellmöglichkeit vor, die mindestens drei Meter über Fahrbahnniveau liegen muss. In der Regel handelt es sich hierbei um Brückenbauwerke, die den bemessenen Streckenabschnitt überspannen.

Abbildung 1: Beispielhafte Messkonstellation mit einer Tatkamera (Mitte), einer Ident-Kamera (vorne) und dem Messfahrzeug im Hintergrund; eigene Darstellung

 

Rz. 365

Innerhalb des von der Tatkamera dokumentierten Bereichs sind Markierungen auf der Fahrbahnoberfläche aufzubringen, die eine perspektivische Transformation der im Videobild digitalisierten Fahrzeugpositionen ermöglichen.

Dazu werden vor der erstmaligen Inbetriebnahme einer Messstelle vier sogenannte Passpunkte markiert. Die Nummerierung erfolgt im Uhrzeigersinn, beginnend unten links.

In Blickrichtung der Kamera spannen die Passpunkte dann bei einer "2D"-Messstelle eine zweidimensionale (im Sinne von "ideale") Ebene und bei einer "3D"-Messstelle eine dreidimensionale (im Sinne von "wellige" oder "kurvige") Ebene auf, in deren Mittelteil zwei weitere Punkte, die sogenannten Kontrollpunkte, markiert werden.

Abbildung 2: Aufnahme einer eingerichteten "2D"-Messstelle unter Verdeutlichung der Lage der vier Passpunkte (P) und der zwei Kontrollpunkte (K); eigene Darstellung

 

Rz. 366

Aufgrund der höheren Anforderung an die Vermessung von 3D-Messstellen wird in der Gebrauchsanweisung ab Stand 31.5.2012 auf Blatt 12 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine 2D-Messstelle "in Eigenregie vom Anwender selbst angelegt werden" darf, aber "alle 3D-Messstellen vom Zulassungsinhaber oder einer vom Zulassungsinhaber autorisieren Fachfirma eingerichtet werden" müssen.

Abbildung 3: Beispielhafte Darstell...

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