Rz. 583

Ein besonders praxisrelevanter Fall der Vollstreckung im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Durchsetzung des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs. Die Zwangsvollstreckung erfolgt gemäß § 888 ZPO durch Verhängung von Zwangsgeld oder Zwangshaft. Will der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung vollstrecken, ist dies für den Arbeitgeber in den meisten Fällen unangenehm. Dies gilt insbesondere für Fallkonstellationen, in denen der streitgegenständlichen Kündigung verhaltensbedingte Gründe zugrunde liegen. Insbesondere bei Führungskräften kann sich die Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs als besonders empfindlich für den Arbeitgeber darstellen, sodass der Arbeitgeber versuchen wird, die Vollstreckung in jedem Fall zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern. In den meisten Fällen wird die (auch bloß angedrohte) Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsantrages Druck auf den Arbeitgeber ausüben und ggf. dazu führen, dass er eine höhere Abfindung als zuvor anbietet, um den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen zu müssen.[1294]

[1294] Reufels, § 3 Rn. 454, 463.

a) Hinreichende Bestimmtheit

 

Rz. 584

Voraussetzung für eine erfolgreiche Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs ist, dass der Antrag hinreichend bestimmt ist.[1295] Hier ist bereits bei der Formulierung des Antrags erhöhte Sorgfalt geboten. Aus dem tenorierten Weiterbeschäftigungsanspruch sollten die maßgeblichen Beschäftigungsbestimmungen unmissverständlich hervorgehen. Die Formulierung, dass der Arbeitnehmer "zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen" ist, reicht hierfür regelmäßig nicht aus.[1296] Aus dieser Formulierung ist nicht ersichtlich, was unter der Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen zu verstehen ist.

Der ggf. streitige Inhalt des Weiterbeschäftigungsanspruchs ist nicht Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens.[1297] Deshalb sollten sich die wesentlichen Arbeitsbedingungen bestenfalls aus dem Tenor oder zumindest aus dem Tatbestand den Entscheidungsgründen des Urteils ergeben, sodass der Tenor durch das Vollstreckungsorgan ausgelegt werden kann.[1298]

Es ist ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art und Weise der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten.[1299] Es ist ausreichend, wenn sich aus dem Titel das Berufsbild des Arbeitnehmers ergibt oder ihm zu entnehmen ist, worin die zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll.[1300]

 

Praxistipp

Arbeitgeber wenden im Vollstreckungsverfahren – regelmäßig zu Recht – ein, dass der Weiterbeschäftigungstitel nicht hinreichend bestimmt und deswegen nicht vollstreckbar sei. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass über den Antrag nach § 888 ZPO derselbe Richter entscheidet, der bereits über den tenorierten Weiterbeschäftigungsantrag entschieden hat. Das Gericht müsste also zu dem Schluss kommen, dass es ein nicht vollstreckungsfähiges Urteil erlassen hat, weil der Umfang der tenorierten Weiterbeschäftigung unklar ist. Aus diesem Grund wird der Einwand der fehlenden hinreichenden Bestimmtheit jedenfalls beim Arbeitsgericht regelmäßig ohne Erfolg bleiben.

[1295] Hierzu Leydecker/Heider/Fröhlich, BB 2009, 2703 ff.
[1296] LAG Köln 16.12.2004 – 3 (7) Ta 358/04, LAGE Nr. 31 zu § 62 ArbGG 1979; LAG Frankfurt 27.11.1992 – 9 Ta 376/92, LAGE Nr. 30 zu § 888 ZPO.
[1299] BAG 15. 4. 2009 – 3 AZB 93/08, NZA 2009, 917; Reufels, § 3 Rn 452; Ahmad/Horcher, NZA 2018, 1234, 1235.
[1300] Ahmad/Horcher, NZA 2018, 1234, 1236.

b) Einwand der Unmöglichkeit

 

Rz. 585

Dem Arbeitgeber muss die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers möglich sein. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 888 ZPO muss das Arbeitsgericht grundsätzlich Tatsachen berücksichtigen, die nach Erlass des zu vollstreckenden Urteiles eingetreten sind.

aa) Wegfall des Arbeitsplatzes

 

Rz. 586

Der Arbeitgeber kann im Vollstreckungsverfahren daher durchaus einwenden, dass der Arbeitsplatz zwischenzeitlich infolge einer Umorganisation weggefallen ist.[1301] Allerdings wird es als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn der Arbeitgeber sich eine titulierte Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung gezielt durch eine gerade dadurch motivierte Umorganisation unmöglich macht. In einem solchen Fall kann sich der Arbeitgeber nicht auf die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung berufen.[1302] Soweit sich der Arbeitgeber auf eine Umorganisation beruft, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes geführt hat, muss er dies im Einzelnen substantiiert belegen.[1303]

 

Rz. 587

Der Weiterbeschäftigung kann ebenfalls entgegengehalten werden, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers oder vergleichbare Arbeitsplätze mittlerweile auf ein anderes Unternehmen na...

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