Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungsanspruch. Zwangsvollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Ein Urteil, mit dem ein Arbeitgeber zur tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers verurteilt worden ist, ist dann in Hinblick auf die Zwangsvollstreckung hinreichend bestimmt, wenn die bisherige Tätigkeit (hier Glasreiniger) im Urteilstenor genannt ist; hingegen nicht, soweit die Beschäftigung „zu den bisherigen Bedingungen” erfolgen soll und diese sich nicht zumindest aus Tatbestand und Gründen ermitteln lassen.

2) Ein zu verhängendes Zwangsmittel gem § 888 Abs. 1 ZPO muß verhältnismäßig sein und sich insoweit auch an der Bedeutung der Handlung für den Gläubiger, die Sich bei vermögensrechtlichen Ansprüchen aus dem Gegenstandswert des Anspruches ergibt, einerseits und an der Hartnäckigkeit, mit der der Schuldner die Erfüllung verweigert, orientieren.

 

Normenkette

ZPO § 888 Abs. 1, §§ 891, 783; ArbGG § 62 Abs. 1; BGB §§ 611, 242; GG Art. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 08.09.1992; Aktenzeichen 6 Ca 75/91)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 8. September 1992 – 6 Ca 75/91 – teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird durch ein Zwangsgeld von 2.750,– DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft von 21 Tagen, angehalten, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits 6 Ca 75/91 Arbeitsgericht Frankfurt am Main als Glasreiniger tatsächlich zu beschäftigen.

Er kann die Vollstreckung der mit diesem Beschluß festgesetzten Zwangsmittel abwenden, indem er der Verurteilung zur Beschäftigung des Klägers als Glasreiniger bis zum Ablauf einer Woche nach Zustellung dieses Beschlusses nachkommt.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.

Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens werden dem Kläger zu 1/5, dem Beklagten zu 4/5 auferlegt.

 

Tatbestand

I. Der Kläger war, wie in der Verhandlung vor der Berufungskammer unstreitig geworden ist, seit dem 19. August 1981 in dem Reinigungsunternehmen des Beklagten als Glasreiniger beschäftigt. Die arbeitsvertragliche Vergütung im Zeitlohn betrug, wie ebenfalls in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, zuletzt 15,91 DM brutto in der Stunde. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 7. Februar 1991 ordentlich zum 28. Februar 1991. Auf die gegen diese Kündigung erhobene Klage, verbunden mit einem Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Weiterbeschäftigung, verkündete das Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 9. Oktober 1991 ein Urteil – 6 Ca 75/91 (Bl. 36 bis 42 d. A.) – mit u.a. folgendem Tenor:

  1. „Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 07.02.1991 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.

    …”

Dieses Urteil wurde dem Beklagten zu Händen seiner Prozeßbevollmächtigten am 29. Oktober 1991 von Amts wegen zugestellt, außerdem nochmals auf Veranlassung des Arbeitsgerichts vor dem 2. September 1992 im Parteibetrieb. Der Beklagte beschäftigte den Kläger nicht, obwohl dieser ihm seine Arbeitskraft am 11. Oktober 1991 angeboten hatte. Auch einer entsprechenden Aufforderung der Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 21. Januar 1992 kam er nicht nach.

Der Kläger hat beantragt,

dem Antragsgegner aufzugeben, bei Meidung eines vom Gericht festgesetzten Zwangsgeldes gegen den Antragsgegner bzw. der Zwangshaft gegen ihn den Antragsteller zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Glasreiniger weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

den Antrag der Gegenseite zurückzuweisen.

Er hat behauptet, der Antrag sei unbegründet, weil der Kläger zur Arbeit nicht in der Lage sei, da er seit Beginn seiner Anstellung an einem Bandscheibenvorfall leide (Beweis: Zeugnis des Klägers unter Eides zwang und der …; Sachverständigengutachten).

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit einem Beschluß vom 8. September 1992 (Bl. 96 bis 98 d. A.), der dem Kläger mit der aus Bl. 98 d. A. ersichtlichen Rechtsmittelbelehrung nach seinen Angaben am 10. September 1992 zugestellt worden ist, den Antrag nach einem Wert von 3.151,– DM zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß hat der Kläger am 18. September 1992 sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, daß sich die Art und der Umfang, wie er zu beschäftigen sei, aus dem Tenor des Urteils und dessen zu seiner Auslegung heranzuziehenden Gründen ergäben. Er behauptet, er sei arbeitsfähig, und beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 08.09.1992 – Az.: 6 Ca 75/91 – dem Beschwerdegegener aufzugeben, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes gegen den Beschwerdegegener bzw. der Zwangshaft gegen ihn, den Beschwerdeführer zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Glasreiniger weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers zu verwerfen u...

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