Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung. Unvertretbare Handlungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch für die Festsetzung von Zwangsmitteln im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO gilt der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein festzusetzendes Zwangsgeld hat sich jedenfalls an dem Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung der titulierten Forderung, die in vermögensrechtlichen Streitigkeiten ihren Ausdruck im Wert des Streitgegenstandes der Hauptsache findet, und an der Hartnäckigkeit des Schuldners, mit dem dieser die Erfüllung unterläßt, zu orientieren. Bei der erstmaligen Festsetzung eines Zwangsmittels ist ein Zwangsgeld, das den Wert um das Zehnfache übersteigt, unverhältnismäßig.

2. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes gem. § 888 Abs. 1 ZPO ist zwingend mit der Festsetzung von ersatzweiser Zwangshaft zu verbinden.

3. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung hat das Gericht des ersten Rechtszugs und auf die sofortige Beschwerde das Beschwerdegericht in jeder Lage bis zur Rechtskraft des Beschlusses nach § 888 Abs. 1 ZPO zu prüfen, ob die Vollstreckung noch erforderlich ist, insbesondere, ob der titulierte Anspruch durch Erfüllung erloschen ist (Bestätigung von Hess. LAG, Beschluß vom 29.10.1985 – 13 Ta 316/85).

4. Wenn ein titulierter Anspruch auf Erteilung einer „ordnungsgemäßen” Abrechnung überhaupt einen hinreichend bestimmten Inhalt hat, ist im Vollstreckungsverfahren auf den Erfüllungseinwand des Schuldners nur deren Vollständigkeit, nicht deren inhaltliche Richtigkeit überprüfbar.

 

Normenkette

ZPO § 888 Abs. 1, §§ 891, 793, 577; ArbGG § 78

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.10.1992; Aktenzeichen 7 Ca 246/92)

 

Tatbestand

I. Der Kläger war seit dem 29. Oktober 1991 in dem Malerbetrieb des Beklagten als Arbeiter auf einer Baustelle in F. a. M. beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen. Eine Vergütung in bestimmter Höhe wurde zwischen den Parteien nicht vereinbart; der Beklagte sagte dem Kläger lediglich „übertarifliche Vergütung” zu. Der Kläger erhielt zwei Abschlagszahlungen über zusammen 1.000,– DM netto. Das Arbeitsverhältnis endete jedenfalls durch Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 1991. Die Klageansprüche machte der Kläger durch seine nachmaligen Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 28. Januar 1992 dem Beklagten gegenüber geltend. Mit der dem Beklagten am 20. Mai 1992 zugestellten Klage hat der Kläger u.a. beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, das zwischen den Parteien in der Zeit zwischen dem 29. Oktober 1991 und dem 31. Dezember 1991 bestehende Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß … abzurechnen;
  2. den Beklagten im Wege der Stufenklage hiernach zu verurteilen, die sich aus der Berechnung ergebenden Beträge abzüglich einer Abschlagszahlung in Höhe von 1.000,– DM an den Kläger zu zahlen.

Nachdem im Gütetermin am 10. Juli 1992 trotz ordnungsgemäßer Ladung für den Beklagten niemand erschienen war, verkündete das Arbeitsgericht Frankfurt am Main auf Antrag des Klägers ein – rechtskräftig gewordenes – Teilversäumnisurteil, mit dem der Beklagte u.a. entsprechend dem Klageantrag zu 1 verurteilt wurde,

…, das zwischen den Parteien in der Zeit zwischen dem 29. Oktober 1991 und dem 31. Dezember 1991 bestehende Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen; und der Wert des Streitgegenstandes einschließlich einer Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 27,70 DM auf 527,70 DM festgesetzt wurde (Bl. 10 d. A.). Ohne daß ein Antrag einer Partei vorlag, bestimmte das Arbeitsgericht Gütetermin auf den 9. Oktober 1992, der auf Antrag des Klägers auf den 30. Oktober 1992 verschoben wurde.

Der Kläger hat beantragt,

gegen den Beklagten und Schuldner wegen der Nichtvornahme der ordnungsgemäßen Abrechnung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses in der Zeit zwischen dem 29. Oktober 1991 und dem 31. Dezember 1991 gemäß dem in der Sache ergangenen Teil-Versäumnisurteil vom 10. Juli 1992 ein Zwangsgeld festzusetzen und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft.

In der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 1992, in der der Beklagte wiederum nicht erschienen war, verkündete das Arbeitsgericht neben einem weiteren (wohl einem Schluß-) Versäumnisurteil einen Beschluß, in dem es antragsgemäß ein Zwangsgeld, und zwar in Höhe von 5.000,– DM, festsetzte, aber keine ersatzweise Zwangshaft (Bl. 21 d. A.). Dieses Versäumnisurteil und die Protokollabschrift wurden dem Beklagten am 14. November 1992 zugestellt. Auf den Antrag des Klägers, ihm auch für den Beschluß vom 30. Oktober 1992 die Vollstreckungsklausel zu erteilen, fertigte das Arbeitsgericht eine Ausfertigung des Beschlusses, die dem Beklagten am 11. Dezember 1992 zugestellt wurde. Ob auch der Kläger eine und, wenn ja, vollstreckbare Ausfertigung erhalten hat, ist aus der Akte nicht zu entnehmen. Am 21. Dezember 1992 ging bei dem Arbeitsgericht ein Schreiben des Beklagten vom 18. Dezember 1992 ein, in dem dieser unter Bezugnahme auf einen Beschluß vom 23. ...

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