Rz. 146

§ 130d S. 2 ZPO regelt, dass bei vorübergehender technischer Störung die Ersatzeinreichung (d.h. Einreichung nach den allgemeinen Vorschriften) zulässig bleibt. In seiner Gesetzesbegründung lässt sich der Gesetzgeber nicht weiter darüber aus, was er konkret unter "kann" versteht. Da die vorübergehende technische Störung natürlich so gravierend sein kann, dass auch eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften nicht mehr möglich ist, weil z.B. ein Schriftsatz nicht einmal mehr ausgedruckt werden kann, bleibt natürlich am Ende in solchen Fällen auch nur noch ein Wiedereinsetzungsantrag, wenn es sich um eine wiedereinsetzungsfähige Frist handelt.

 

Rz. 147

Es ist davon auszugehen, dass die künftige Rechtsprechung auch diese Frage noch mit Leben füllen wird. Sicherlich wird es sich hier auch um Einzelfallentscheidungen handeln.

Dabei sind verschiedene Szenarien denkbar (nur beispielhaft):

Die elektronische Einreichung scheitert am Tag des Fristablaufs aufgrund einer ad hoc Störung, deren Ende absehbar (Mitteilung lt. BRAK) erst am nächsten Tag behoben sein wird. Hiervon erfährt ein Anwalt am Tag des Fristablaufs morgens um 10.00 Uhr. Muss er die Ersatzeinreichung versuchen? Unseres Erachtens ja, da ihm diese als einfache Möglichkeit geboten wird, die Fristsache zu retten. Schon aufgrund der Pflichten aus dem Anwaltsvertrag gegenüber seinem Mandanten kann nicht empfohlen werden, die elektronische Einreichung ohne Versuch einer Ersatzeinreichung am nächsten Tag, verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag, vorzunehmen.
Die elektronische Einreichung scheitert am Tag des Fristablaufs aufgrund einer ad hoc Störung, deren Ende absehbar (Mitteilung lt. BRAK) erst am nächsten Tag behoben sein wird. Hiervon erfährt ein Anwalt am Tag des Fristablaufs abends um 20.00 Uhr. Muss er die Ersatzeinreichung versuchen? Unseres Erachtens auch hier.
Die elektronische Einreichung scheitert am Tag des Fristablaufs aufgrund einer ad hoc Störung, deren Ende absehbar (Mitteilung lt. BRAK) erst am nächsten Tag behoben sein wird. Hiervon erfährt ein Anwalt am Tag des Fristablaufs. Eine Ersatzeinreichung ist ihm nicht möglich, da vergessen wurde, in der Kanzlei, die ausschließlich mit eAkten arbeitet, neuen Toner zu bestellen. Der Drucker hat den Tonermangel erstmalig an diesem Abend angezeigt; der Schriftsatz ist jedoch so umfangreich, dass er nicht mehr vollständig ausgedruckt werden kann. Wird der Anwalt hier mit einem Wiedereinsetzungsantrag weiterkommen? Fraglich, siehe Rdn 91 ff in diesem Kapitel.

7. Gescheiterte Ersatzeinreichung und jetzt?

 

Rz. 148

Die Ersatzeinreichung ist immer eine fristgerechte Einreichung. Das Gericht entscheidet auf der Basis der mit der Glaubhaftung vorgetragenen Gründe für die Ersatzeinreichung und die Glaubhaftmachungsmittel, ob es die Ersatzeinreichung gelten lässt.

 

Rz. 149

Ein Scheitern einer vorgenommenen Ersatzeinreichung kann sich u. A. aus folgenden Gründen ergeben (keine abschließende Aufzählung):

Die erfolgte Ersatzeinreichung war nicht zulässig bzw. sie war unbegründet.
Die Einsatzeinreichung selbst ist nicht fristgerecht.
Die Ersatzeinreichung ist nicht formgerecht erfolgt, siehe dazu § 130 Nr. 6 ZPO sowie die Ausführungen in § 16 in diesem Werk.
Die vorübergehende technische Störung wurde in zeitlicher Hinsicht (vorübergehend) und technischer Hinsicht nicht glaubhaft gemacht.
Die vorübergehende Störung wurde nicht fristgerecht glaubhaft gemacht, siehe Rdn 128.
Die verwendeten Glaubhaftmachungsmittel sind nicht zulässig/geeignet.
 

Rz. 150

Teilt das Gericht mit, dass die Ersatzeinreichung gescheitert ist, läuft ab Beginn der Kenntnis die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung. Zum Thema Wiedereinsetzung siehe ausführlich § 21 in diesem Werk. Bestehen schon bei Ersatzeinreichung selbst Zweifel an deren Berechtigung oder müssen sich solche geradezu aufdrängen, läuft die Frist für die Wiedereinsetzung mit der Ersatzeinreichung. Höchst vorsorglich sollte daher grundsätzlich mit der Ersatzeinreichung auch die zum Vorgang passende ­Wiedereinsetzungsfrist (zwei Wochen bei Notfristen und der Wiedereinsetzungsfrist selbst; ein Monat bei Rechtsmittelbegründungsfristen gem. § 234 Abs. 1 ZPO) mit entsprechender Vorfrist notiert werden. Hierauf sind auch Mitarbeiter, die möglicherweise in den Abendstunden allein im Büro sind, hinzuweisen.

 

Rz. 151

Mitarbeiter sollten ohnehin nicht ohne Anweisung bleiben, wie im Fall eines fehlgeschlagenen Versands vorzugehen ist, wenn der Anwalt z.B. nach Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur die Kanzlei verlässt und der Versand auf den Mitarbeiter delegiert wurde, siehe ergänzend auch Rdn 140 oben. Dem Anwalt/der Berufsausübungsgesellschaft kann dann ein Organisationsverschulden vorgeworfen werden, welches eine Wiedereinsetzung gem. § 85 Abs. 2 ZPO verhindert.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge