Rz. 41

Bei der Marktwertermittlung ist der Sachverständige (oder im gerichtlichen Verfahren der Tatrichter) in der Wahl seines Schätzverfahrens grundsätzlich frei, wohingegen bei der Ermittlung des erbschaftsteuerlichen Grundbesitzwertes das anzuwendende Verfahren in Abhängigkeit von der Immobilienart genau vorgeschrieben ist (§ 182 BewG).

 

Rz. 42

Letzteres mag zur Vereinfachung der Verwaltungspraxis mit Rücksicht auf die (Markt-)Kompetenzen der Anwender nützlich sein. Solche dogmatischen Vorgaben sind allerdings nicht nur problematisch, wenn sie den Gepflogenheiten des allgemeinen Geschäftsverkehrs zuwiderlaufen und somit zu unsachgemäßen Wertermittlungsergebnissen führen, sondern sie leisten außerdem einer Fixierung auf Methodiken Vorschub, wobei das eigentliche Ziel, die Ermittlung eines marktorientierten Wertes, mitunter aus den Augen verloren wird.

Viel wichtiger als die schablonenhafte Anwendung von normierten Verfahren ist es, den Markt, in dem sich ein konkretes Bewertungsobjekt befindet, zu erfassen und durch zutreffende aus dem Markt abgeleitete Bewertungsparameter einzufangen. Denn auch in der Immobilienbewertung gilt das GIGO-Prinzip: "Garbage in, garbage out".

 

Rz. 43

Die Bewertungsgrundlage ist gleichsam das Ziel oder die dem Bewerter gestellte Aufgabe, d.h. die Frage nach einem bestimmten Wert. Wertermittlungsverfahren sind Lösungswege, die ein Bewerter einschlägt, um die Aufgabe zu lösen und die Wertfrage zu beantworten. Auch in der Immobilienwertermittlung gilt zunächst das alte Sprichwort "Viele Wege führen nach Rom", d.h. zum Ziel. Prinzipiell gibt es nicht das eine richtige Wertermittlungsverfahren für diesen oder jenen Fall und folglich sind andere angewandte Verfahren im konkreten Fall auch nicht unbedingt falsch. Denn sachgerecht angewandt führen alle geeigneten Verfahren zum Ziel, d.h. zum selben gesuchten Wert (z.B. Verkehrs-, Investitions-, Beleihungs- oder Grundbesitzwert, siehe Rdn 3).[31]

 

Rz. 44

Geeignet, einen nach der Bewertungsgrundlage bestimmten Wert zu ermitteln, ist ein Verfahren dann, wenn es den Grundsätzen der Bewertungsgrundlage entspricht und die Funktionsweise der Wertbildung sinnvoll modelliert. Zur sachgerechten Anwendung gehört neben dem methodisch korrekten Vorgehen auch die Verwendung angemessener Eingangsparameter (Bewertungsparameter).

Für die von Vereinfachungserfordernissen geprägte steuerliche Ermittlung des "gemeinen Werts" werden mitunter typisierende Parameter vorgegeben.

 

Rz. 45

Im Falle des Marktwertes muss ein Wertermittlungsverfahren eine Marktorientierung ermöglichen und den Gepflogenheiten des – für die Art des Wertermittlungsobjektes und relevanten Teilmarktes gewöhnlichen – Geschäftsverkehrs Rechnung tragen. Von der Möglichkeit zur Marktorientierung ist Gebrauch zu machen, indem Eingangsparameter aus dem tatsächlichen Marktgeschehen "in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht", abgeleitet werden. Sachverständig "gegriffene" oder auf Literaturangaben gestützte Parameter sind i.R.v. Marktwertermittlungen regelmäßig ebenso wenig sachgerecht wie subjektive Einschätzungen i.S.d. Investitionswertes (siehe Rdn 27).

 

Rz. 46

Was das methodisch korrekte Vorgehen bei der sachgerechten Anwendung von Wertermittlungsverfahren anbelangt, so sind insbesondere der Grundsatz der Modellkonformität (§ 10 ImmoWertV) und das Verbot der Doppelberücksichtigung zu beachten.

 

Rz. 47

Nach dem Grundsatz der Marktorientierung sind wesentliche Daten der Wertermittlung (Bewertungsparameter) aus dem Marktgeschehen abzuleiten. Dies erfolgt, indem aus tatsächlichen Kauffällen von den erzielten Kaufpreisen auf den gesuchten Parameter (z.B. Liegenschaftszinssatz, Sachwertfaktor oder Diskontierungszinssatz) mittels bestimmter Modelle "zurückgerechnet" wird. Die so ermittelten Marktparameter können dann bei der Wertermittlung herangezogen werden, sofern dabei dieselben Modelle verwendet werden wie zu deren Ableitung. Denn nur innerhalb dieser Modelle spiegeln die abgeleiteten Parameter tatsächlich das Marktgeschehen wider (Grundsatz der Modellkonformität).

 

Rz. 48

Nach § 193 Abs. 5 BauGB gehört es zu den Aufgaben der gemäß § 192 BauGB zu bildenden Gutachterausschüsse, Kaufpreissammlungen zu führen und Bodenrichtwerte sowie sonstige zur Wertermittlung erforderliche Daten abzuleiten. Dies kann dem Sachverständigen zwar die Arbeit der eigenhändigen Ableitung wesentlicher Marktparameter ersparen, verpflichtet ihn dann aber, sich mit den Modellen zur Ableitung der erforderlichen Daten (Marktparameter) auseinanderzusetzten, um den Grundsatz der Modellkonformität bei seinen Wertermittlungen zu wahren. Ein Ziel der letzten Novellierung der ImmoWertV war es, die von den Gutachterausschüssen angewandten Modelle zu vereinheitlichen.

Alternativ kann der Sachverständige in die vom örtlichen Gutachterausschuss geführte Kaufpreissammlung Einsicht nehmen und die (anonymisierten) Kauffälle selbst auswerten, wenn er nicht über eigene Transaktionsdatenbanken verfügt.

 

Rz. 49

Der der deutschen Wertermittlungs...

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