Rz. 113

Der Arbeitgeber ist grds. verpflichtet, dem Mitarbeiter bis zu dem rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses seine gesamten vertraglich zugesagten Bezüge ordnungsgemäß zu zahlen. Besonders zu beachten sind in dem Zeitraum etwa anstehende Sonderleistungen (vgl. zum Fix- und variablen Gehalt des GmbH-Geschäftsführers bei Freistellung oben § 16 Rdn 323 ff.).

 

Rz. 114

Bei einem vom Jahresabschluss abhängigen Tantiemeanspruch stellt sich regelmäßig die Problematik, dass der Jahresabschluss im Zeitpunkt des rechtlichen Endes noch nicht feststeht. Neben der Alternative, sich auf eine Pauschale zu verständigen, besteht auch die Möglichkeit, den entsprechenden Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses abzuwarten und danach die Auszahlung unter Abzug der gesetzlichen Abgaben vorzunehmen. Wichtig ist, dass sämtliche bis zum rechtlichen Ende entstandenen Ansprüche auf Geld- und Sachbezüge nicht steuerbegünstigt sind (vgl. BFH v. 16.12.2021 – VI R 10/18, juris; BFH v. 24.10.2007, BFH/NV 2008, 361; BFH v. 15.10.2003, NJW 2004, 1407 = DB 2004, 118; BFH v. 13.10.1978, DB 1979, 481 = BStBl II 1979, 155; BFH v. 7.5.1977, DB 1977, 240 = BStBl II 1977, 735; vgl. aber auch zum Verzicht auf etwa gleich hohe rückständige Tantiemeforderungen den Ausnahmefall des FG Hamburg v. 15.8.1989, EFG 1990, 162, sowie zur Steuergestaltung durch Nutzung der Pauschalversteuerungsmöglichkeit bei Anwendung der Vervielfältigungsregelung des § 40b Abs. 2 S. 3 EStG unten Rdn 310 ff.). Dies gilt auch dann, wenn der Mitarbeiter bis zum rechtlichen Ende freigestellt sein sollte. Denn Gehaltszahlungen an einen von der Arbeit freigestellten Arbeitnehmer, die aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleiches bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses geleistet werden, sind keine Abfindungen (vgl. BFH v. 16.12.2021 – VI R 10/18, juris Rn 14; BFH v. 27.4.1994 – XI R 41/93, juris Ls., BB 1994, 1550 = NZA 1995, 118). Soweit über die Bezahlung von Überstunden gestritten wird, sind hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarungen die verschiedenen Konstellationen zu berücksichtigen (vgl. BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, juris Pauschalabgeltung unwirksam; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, juris Pauschalvergütung wirksam; vgl. ferner BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 530/11, juris; BAG v. 21.9.2011 – 5 AZR 629/10, juris); → s. unten Rdn 127 zur Abgeltung/Anrechnung von Überstundenguthaben durch Freistellung – Arbeitszeitkonto

 

Rz. 115

Soweit sich der Arbeitgeber in einem Vergleich (Beendigungsvergleich im Gütetermin) verpflichtet, Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers abzurechnen, die noch nicht zur Auszahlung gelangt sind, findet § 108 GewO keine Anwendung. Denn eine solche Abrechnungsverpflichtung meint nicht die Abrechnung nach § 108 die GewO, sondern eine Abrechnungsverpflichtung, die der Vorbereitung der Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs dient. Die Abrechnung nach § 108 GewO setzt immer voraus, dass das Arbeitsentgelt bereits gezahlt worden ist (vgl. LAG Hamm v. 24.6.2019 – 12 Ta 184/19, juris Rn 19; BAG v. 7.9.2009 – 3 AZR 19/09, juris). Ein Titel, der einen Arbeitgeber zu einer "ordnungsgemäßen" Abrechnung noch nicht erbrachter Entgelte verpflichtet, ist im Regelfall zu unbestimmt und daher zur Vollstreckung nicht geeignet (vgl. LAG Hamm v. 24.6.2019 – 12 Ta 184/19, juris). Risikobehaftet ist auch die häufig in Aufhebungsvereinbarungen bzw. Prozessvergleichen anzufindende Formulierung, dass das Anstellungsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt "ordnungsgemäß abgewickelt und abgerechnet" werde, wenn eine turnusmäßige Gehaltserhöhung im Zeitraum bis zum rechtlichen Ende ansteht. Das LAG Köln hatte über diese Formulierung einer Aufhebungsvereinbarung zu entscheiden, in der dem Mitarbeiter neben der ordnungsgemäßen Abwicklung eine Abfindung von rd. 80.000 EUR und die Freistellung vom 1.6.-31.12. zugesagt war. Bei der turnusmäßigen anstehenden Gehaltserhöhung zum 1.7. ließ die Firma das Gehalt des Mitarbeiters unverändert. Das LAG gab der Klage des Mitarbeiters auf Gehaltserhöhung statt (vgl. LAG Köln v. 5.10.1995, LAGE § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 19; aber auch BAG v. 16.9.1998, DB 1999, 591; ferner BAG v. 12.10.2022 - 5 AZR 135/22, juris, mit Berichtigungsbeschluss v. 24.2.2023, juris, zu dem auf § 242 BGB gestützten materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers zu Gehaltsanpassungen aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes).

 

Rz. 116

 

Hinweis

Zur Vermeidung von Streit ist es empfehlenswert, die bis zum rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses fortzuzahlenden Bezüge in der Aufhebungsvereinbarung genau zu benennen (vgl. § 2 des Mustervertrags, Rdn 454; vgl. zum GmbH-Geschäftsführer oben § 16 Rdn 323 ff.).
Bei unterjährigem Ausscheiden besteht der Anspruch auf eine Bonuszahlung grds. anteilig pro rata temporis (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 22.10.2021 – 9 Sa 19/21, juris).

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