Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweck der Entgeltabrechnung nach § 108 GewO. Geltung des vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes für den Zwangsvollstreckungstitel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verpflichtet sich der Arbeitgeber im Vergleich, Vergütungsansprüche abzurechnen, die noch nicht zur Auszahlung gelangt sind, findet § 108 GewO keine Anwendung.

2. Ein Titel, der einen Arbeitgeber zu einer "ordnungsgemäßen" Abrechnung noch nicht erbrachter Entgelte verpflichtet, ist im Regelfall zu unbestimmt und daher zur Vollstreckung nicht geeignet.

 

Normenkette

ZPO § 888; GewO § 108; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 16.04.2019; Aktenzeichen 2 Ca 1881/18)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 23.04.2019 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 16.04.2019 aufgehoben und der Antrag auf Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens des Gläubigers zurückgewiesen.

Der Gläubiger trägt die Kosten der Zwangsvollstreckung unter Einschluss des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 390,- € festgesetzt.

 

Gründe

I. Im Ursprungsrechtsstreit hat sich der Gläubiger gegen eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Schuldner gewehrt. Im Gütetermin am 20.12.2018 haben die Parteien einen Beendigungsvergleich geschlossen, der in Ziffer 2 folgende Regelung enthält:

"Der Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis für die Monate August, September und Oktober 2018 ordnungsgemäß abzurechnen, soweit noch nicht geschehen und auf der Basis von 2.600,- € brutto monatlich. Die sich daraus ergebenden Arbeitsentgeltansprüche werden an den Kläger ausgezahlt, soweit noch nicht geschehen. Noch auszuzahlende Arbeitsentgeltansprüche werden schuldbefreiend auf ein Konto des Prozessbevollmächtigten des Klägers überwiesen."

Eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs wurde dem Schuldner am 01.02.2019 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 14.02.2019 beantragte der Gläubiger gegen den Schuldner wegen der Nichtvornahme der ordnungsgemäßen Abrechnung und der mangelnden Zahlung auf ein Konto der Bevollmächtigten, ein Zwangsgeld und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Zwangshaft festzusetzen. Später hat der Gläubiger klargestellt, dass sich der Zwangsvollstreckungsantrag lediglich auf die Abrechnung bezieht.

Mit Beschluss vom 16.04.2019 hat das Arbeitsgericht gegen den Schuldner wegen Nichterfüllung der in Ziffer 2 des Vergleichs enthaltenen Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Abrechnung für die Monate August, September und Oktober 2018 auf der Basis von 2.600,- € brutto monatlich ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- €, ersatzweise für den Fall der Uneinbringlichkeit Zwangsgeld für je 250,- € 1 Tag Zwangshaft festgesetzt, zu vollstrecken am Schuldner.

Gegen den ihm am 18.04.2019 zugestellten Beschluss hat der Schuldner am 23.04.2019 Beschwerde eingelegt.

Er hat gemeint, dass auch der Gläubiger seiner Verpflichtung aus dem Vergleich nicht nachgekommen sei, nämlich Schadensberichte zur Vorlage bei der Versicherung zu erstellen. Gleichzeitig hat er mitgeteilt, die Zahlung August 2018 sei bereits erfolgt. Die weiteren Zahlungen der Nettobeträge würden am 23.04.2019 angewiesen.

Mit Beschluss vom 03.05.2019 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Beschwerdegericht vorgelegt.

Der Gläubiger beantragt der Sache nach, die Beschwerde zurückzuweisen und verweist darauf, dass zwar die Zahlungen mittlerweile erfolgt seien, jedoch eine Abrechnung nicht vorliege, sodass eine vollständige Überprüfung nicht erfolgen könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachstandes wird auf die Prozessakte verwiesen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 793, 567, 569 ZPO, 62 Abs. 2, 78 ArbGG), mithin zulässige sofortige Beschwerde ist begründet, da der Zwangsgeldantrag nach § 888 ZPO mangels eines vollstreckbaren Titels erfolglos bleiben musste.

Der Vollstreckungstitel ist zu unbestimmt und daher für die Vollstreckung nicht geeignet.

1. Durch den Vollstreckungstitel werden in objektiver Hinsicht Inhalt und Umfang der Zwangsvollstreckung festgelegt. Der vollstreckungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz (dazu Gaul/Schilken-Bäcker-Eberhardt, 12. Auflage 2010, Zwangsvollstreckungsrecht § 10 Rn. 21 ff.) ist daher nicht anders zu verstehen, als die Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wonach die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag enthalten muss. Abgegrenzt werden dabei einerseits der Streitgegenstand, aber andererseits auch die Voraussetzungen für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung. Hinreichend bestimmt ist der Tenor, wenn der ausgeurteilte Anspruch konkret bezeichnet ist und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren ermöglicht. Der Grundsatz, dass das Vollstreckungsverfahren formalisiert ist, beinhaltet damit auch das Erfordernis, zwischen dem Erkenntnisverfahren und dem Vollstreckungsverfahren trennscharf zu untersch...

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