Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinreichende Bestimmtheit der Verurteilung zur Abrechnung gem. § 108 GewO

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Titel, der zur Erteilung einer "ordnungsgemäßen" Abrechnung nach § 108 GewO verpflichtet, ist bestimmt genug und daher zur Zwangsvollstreckung geeignet (Abgrenzung zu LAG Hamm, 24.06.2019 - 12 Ta 184/19).

 

Normenkette

GewO § 108; ZPO § 888

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Entscheidung vom 03.06.2022; Aktenzeichen 2 Ca 809/21)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 13.06.2022 gegen den Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Rheine vom 03.06.2022 - 2 Ca 809/21 wird zurückgewiesen.

Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gegenstandswert: 400,00 Euro.

 

Gründe

I.

Mit Urteil vom 14.02.2022 wurde die Schuldnerin mittlerweile rechtskräftig verurteilt der Gläubigerin u.a. ordnungsgemäße Abrechnungen für die Monate April bis August 2020 und für November 2020 bis Januar 2021 über die jeweilige Vergütung in Höhe von 1.000,00 Euro zu erteilen, auch über die abzuführenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Den Anspruch hat das Arbeitsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe auf § 108 GewO gestützt. In dem Verfahren stritten die Parteien über die Höhe der Vergütung vor dem Hintergrund einer streitigen Kurzarbeitsvereinbarung. Im Laufe des Rechtsstreits erbrachte die Schuldnerin Nachzahlungen, erteilte jedoch keine aktualisierten Abrechnungen.

Unter dem 12.05.2022 leitete die Gläubigerin das Zwangsvollstreckungsverfahren hinsichtlich der nicht korrigierten Abrechnungen trotz Zahlung ein.

Mit Beschluss vom 03.06.2022 setzte das Arbeitsgericht gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der Verpflichtung aus dem Urteil, Abrechnungen zu erteilen, ein Zwangsgeld in Höhe von 400,00 Euro fest.

Gegen diesen Beschluss legte die Schuldnerin am 13.06.2022 sofortige Beschwerde ein und begründe sie später damit, dass Berufung gegen das Urteil eingelegt worden sei.

Mit Beschluss vom 24.06.2022 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab, sondern legte sie dem Beschwerdegericht vor.

Im Laufe des Verfahrens legte die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 17.11.2022 eine Abrechnung vor, die den Zeitraum April 2020 bis Juni 2021 abbildet, insgesamt 7 Blätter umfasst, die einzelnen Monate als Nachberechnung aufführt und als Aussteller "Testmandant" angibt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Prozessakte verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 793, 567, 569 ZPO, 62 Abs. 2, 78 ArbGG), mithin zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht ein Zwangsgeld festgesetzt.

1. Der Vollstreckungstitel ist auch bestimmt genug und daher für die Vollstreckung geeignet.

a) Durch den Vollstreckungstitel werden in objektiver Hinsicht Inhalt und Umfang der Zwangsvollstreckung festgelegt. Der vollstreckungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz ist daher nicht anders zu verstehen als die Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wonach die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag enthalten muss. Abgegrenzt werden dabei einerseits der Streitgegenstand, aber andererseits auch die Voraussetzungen für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung. Hinreichend bestimmt ist der Tenor, wenn der ausgeurteilte Anspruch konkret bezeichnet ist und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren ermöglicht (vgl. BAG 31.05.2012 - 3 AZB 29/12). Der Grundsatz, dass das Vollstreckungsverfahren formalisiert ist, beinhaltet damit auch das Erfordernis, zwischen dem Erkenntnisverfahren und dem Vollstreckungsverfahren trennscharf zu unterscheiden. Gegenüber dem Erkenntnisverfahren hat das Vollstreckungsverfahren wesentliche geringere Erkenntnismöglichkeiten, da in der Regel nicht mündlich verhandelt wird und auf die üblichen Beweismittel nicht zurückgegriffen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt daher ein vollstreckbarer Titel vor, wenn das, was der Schuldner zu leisten hat, aus dem Titel selbst eindeutig bestimmt werden kann (vgl. BAG, 28.02.2003 - 1 AZB 53/02). Der Inhalt des Titels muss aus sich heraus jedem Dritten verständlich sein. Dabei können Tatbestand und Entscheidungsgründe zur Auslegung herangezogen werden (vgl. BAG 16.12.2021 - 2 AZR 235/21; BAG 10.4.2014 - 2 AZR 812/12).

b) Diesen Anforderungen wird der Tenor des Urteils vom 14.02.2022 gerecht.

Dem steht die Tenorierung "ordnungsgemäß Abrechnung" nicht entgegen.

a) Zu unterscheiden ist zwischen der Abrechnung des Arbeitsentgelts nach § 108 GewO und dem allgemeinen Abrechnungsanspruch. Bei letzterem wird zurecht angenommen, dass die Verurteilung, das Arbeitsverhältnis "ordnungsgemäß" abzurechnen, zu unbestimmt ist (vgl. BAG 25.04.2001 - 5 AZR 395/99; LAG Hamm, 24.06.2019 - 12 Ta 184/19), weil im Vollstreckungsverfahren nicht überprüft werden kann, was "ordnungsgemäß" ist. Diese vorausschauende Abrechnung dient dazu, Zahlungsansprüch...

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