Rz. 25

In Ehesachen und Familienstreitsachen ist die förmliche Zustellung der ordnungsgemäß verkündeten[29] Entscheidung maßgeblich.

 

Rz. 26

BGH Beschl. v. 25.1.2017 – XII ZB 504/15[30]

Zitat

1. Der Lauf der Beschwerdefrist in einer Familienstreitsache setzt voraus, dass die Entscheidung ordnungsgemäß verkündet worden ist, was nur durch ein vom Richter unterzeichnetes Verkündungsprotokoll nachgewiesen werden kann (BGH v. 13.6.2012 – XII ZB 592/11, FamRZ 2012, 1287).

2. Die Unterschrift unter dem Protokoll muss einen individuellen Charakter aufweisen und einem Dritten, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, ermöglichen, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauszulesen. Die Unterschrift muss zwar nicht unbedingt lesbar sein, mindestens einzelne Buchstaben müssen aber – wenn auch nur andeutungsweise – zu erkennen sein (BGH v. 19.10.2011 – XII ZB 250/11, FamRZ 2012, 106).

BGH, Beschl. v. 23.6.2021 – XII ZB 51/21, juris

Zitat

Wurde in einer Ehesache dem Antragsgegner schon das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt und hat er sich auch nicht auf das Verfahren eingelassen, wird für ihn die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht durch eine anderweitig erlangte Kenntnis von dem Verfahren in Gang gesetzt (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 21.7.2010 – XII ZB 135/09, FamRZ 2010, 1646).

 

Rz. 27

Nach § 174 Abs. 1 ZPO kann an einen Rechtsanwalt gegen Empfangsbekenntnis, nach § 174 Abs. 2 ZPO auch durch Telekopie, zugestellt werden. Gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 172 Abs. 1 ZPO sind Zustellungen in Familienstreitverfahren an den für den Rechtszug bestellten Bevollmächtigten vorzunehmen. Zustellungen unter Umgehung des Bevollmächtigten sind unwirksam und setzen Rechtsmittelfristen nicht in Gang.[31]

Für die Wirksamkeit der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis kommt es darauf an, dass der Rechtsanwalt selbst Kenntnis vom Zugang des zuzustellenden Schriftstücks genommen hat.[32] Zum Nachweis der Zustellung ist das vom Adressaten persönlich unterschriebene und an das Gericht zurückgesendete Empfangsbekenntnis erforderlich ist.[33]

 

Rz. 28

BGH, Beschl. v. 11.5.2016 – XII ZB 582/15[34]

Zitat

Gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 172 Abs. 1 ZPO sind Zustellungen in Familienstreitverfahren an den für den Rechtszug bestellten Bevollmächtigten vorzunehmen. Hat der Bevollmächtigte den Beteiligten bereits im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten, gilt dies auch für ein Überprüfungsverfahren, welches seinerseits zum Rechtszug gehört. Denn durch § 172 Abs. 1 ZPO soll im Interesse der Verfahrensökonomie und Privatautonomie sichergestellt werden, dass der für die Verfahrensführung verantwortliche Bevollmächtigte über den gesamten Verfahrensstoff informiert wird und sich alle Fäden in seiner Hand vereinigen (BGH v. 8.12.2010 – XII ZB 38/09, FamRZ 2011, 463 Rn 18 ff.).

Zustellungen unter Umgehung des Bevollmächtigten sind unwirksam und setzen Rechtsmittelfristen nicht in Gang (BGH v. 8.12.2010 – XII ZB 151/10, juris Rn 30; BGH Beschl. v. 28.11.2006 – VIII ZB 52/06, FamRZ 2007, 390 m.w.N.). Kommt es zu einer zusätzlichen Zustellung an den vertretenen Beteiligten, entfaltet diese im Verhältnis zur Zustellung an den Bevollmächtigten daher keine Wirkung. Denn sie dient regelmäßig lediglich der Unterrichtung, zu welcher der Bevollmächtigte aufgrund des Mandatsvertrags nach §§ 675, 666 BGB ohnehin verpflichtet ist (BFH, Beschl. v. 19.12.1995 – III R 122/93, NJW 1996, 1847, 1848). Die Zustellung an die Antragstellerin am 9.9.2015 blieb daher auf die Maßgeblichkeit der nach § 172 Abs. 1 ZPO erfolgten Zustellung an ihre Bevollmächtigte am 8.9.2015 ohne Einfluss (vgl. MüKo-ZPO/Häublein, 4. Aufl. § 172 Rn 20; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 172 Rn 1).

Einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht jedenfalls ein zurechenbares Verschulden der vormaligen Bevollmächtigten entgegen. Diese habe die Antragstellerin über die Zustellung am 8.9.2015 nicht informiert.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.10.2017 – 8 WF 37/17[35]

Zitat

Die wirksame Zustellung gegen Empfangsbekenntnis setzt voraus, dass grundsätzlich der Zustelladressat persönlich die Entgegennahme des zuzustellenden Dokuments quittiert.

Nach § 174 Abs. 4 ZPO bedarf es zum Nachweis der Zustellung des vom Adressaten persönlich unterschriebenen und an das Gericht zurückgesendeten Empfangsbekenntnisses. Denn für die Wirksamkeit der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis kommt es darauf an, dass der Rechtsanwalt selbst Kenntnis vom Zugang des zuzustellenden Schriftstücks genommen hat (BVerwG v. 27.7.2015 – 9 B 33/15, NJW 2015, 3386 m.w.N.). Die Unterschrift eines Dritten, der nicht die Qualifikation eines Anwalts oder einer sonstigen in § 174 Abs. 1 ZPO genannten Person besitzt, genügt nicht.[36] Auch ein Empfangsbekenntnis aus dem Büro des benannten Rechtsanwalts, dessen Erhalt eine nicht näher bekannte Person "i.A." quittierte, genügt nicht.

 

Rz. 29

 

Praxistipp:

Die Entscheidung des OLG Frankfurt enthält deswegen auch eine deutliche Rüge an den Verfahrensbevollmächtigten, desse...

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