Rz. 113

Gerade in Umgangsverfahren ist es vielfach sachlich geboten, eine schnelle gerichtliche Regelung des Umgangs zu erreichen. Hierfür bietet das FamFG die Möglichkeit der einstweiligen Anordnung.

a) Gesetzliche Vorgaben für die einstweilige Anordnung

 

Rz. 114

§ 49 Abs. 1 FamFG stellt für die einstweilige Anordnung eine besondere Zulässigkeitshürde auf, indem ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts gefordert wird. Ein schlichtes Regelungsbedürfnis reicht dagegen nicht aus.

In Kindschaftssachen spielt aber das auch für das Hauptsacheverfahren geltende Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG eine entscheidende Rolle. Das Eilbedürfnis des einstweiligen Anordnungsverfahrens steht grundsätzlich einer Aussetzung entgegen.[154]

b) Verfahrenswert der einstweiligen Anordnung

 

Rz. 115

Der Wert ist gem. § 41 FamGKG zu ermäßigen (auf den hälftigen Wert, also 2.000 EUR),[155] dabei ist auch eine Herabsetzung unter den hälftigen Hauptsachewert möglich.[156] Erledigt sich das einstweilige Anordnungsverfahren betreffend die elterliche Sorge durch Vergleich, so ist eine Anhebung des Verfahrenswertes über den Regelwert hinaus nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil nun ein etwaiges Hauptsacheverfahren hinsichtlich der elterlichen Sorge entbehrlich geworden ist.[157] In einem einstweiligen Anordnungsverfahren, in dem die Kindeseltern eine Vereinbarung über den Umgang schließen, kann für den Vergleichswert der volle Wert des Umgangsverfahrens nur dann festgesetzt werden, wenn der Umgang nicht nur vorübergehend, sondern endgültig geregelt wird und damit ein Hauptsacheverfahren entbehrlich ist.[158]

[155] OLG Köln FamRZ 2011, 758; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 756.
[158] OLG Bremen FamRZ 2020, 2025.

c) Verhältnis zwischen einstweiliger Anordnung und Hauptsacheverfahren

 

Rz. 116

Grundsätzlich bestehen hierbei verschiedene Möglichkeiten, um Rechtsschutz zu erlangen:[159]

1. nur Antrag auf einstweilige Anordnung,
2. gleichzeitige Anträge auf einstweilige Anordnung und im Hauptsacheverfahren,
3. zuerst Antrag nur auf einstweilige Anordnung, danach Einleitung des Hauptsacheverfahrens,
4. zunächst Einleitung des Hauptsacheverfahrens, danach Antrag auf einstweilige Anordnung.
[159] Vgl. van Els, FamRZ 2010, 1756.

aa) einstweilige Anordnung neben dem Hauptsacheverfahren

 

Rz. 117

Alleine der Umstand, dass ein Hauptsacheverfahren dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG unterliegt, lässt ein dringendes Bedürfnis im Sinne dieser Norm noch nicht entfallen und macht ein Eilverfahren in Sorge- und Umgangssachen nicht per se entbehrlich. Allerdings ist ein besonderes Eilbedürfnis erforderlich, das ein Zuwarten auf eine in einem beschleunigten Hauptsacheverfahren ergehende Entscheidung unzumutbar erscheinen lässt,[160] da mit dem Abwarten es Hauptsacheverfahrens erhebliche Nachteile verbunden wären. Der Gesetzgeber hat einen solchen Nachteil in § 156 Abs. 3 konkretisiert: In Umgangsrechtsachen soll das Familiengericht eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn es eine Beratung oder Begutachtung anordnet (§ 156 Abs. 3 Satz 2 FamFG).

 

Rz. 118

Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe kann daher auch ein Hauptsacheantrag als mutwillig bewertet werden, wenn zeitgleich ein Antrag im Verfahren der einstweiligen Anordnung gestellt worden ist.[161]

 

Praxistipp:

Dabei ergeben sich noch Unterschiede zwischen Verfahren zum Umgangsrecht und zur elterlichen Sorge.
Denn die Schwelle, einem Elternteil das Sorgerecht zu entziehen und dem anderen Elternteil das alleinige Sorgerecht zu übertragen, liegt noch deutlich höher als bei einer Umgangsregelung zwischen den Eltern.
Eine Umgangsregelung kann daher noch eher im summarischen Verfahren der einstweiligen Anordnung erreicht werden als eine Sorgerechtsregelung.

bb) Verfahrenskostenhilfe bei gleichzeitiger einstweiliger Anordnung und Hauptsache?

 

Rz. 119

Entscheidende Frage ist, ob ein Beteiligter, der die Kosten selbst zu tragen hätte, auch diesen Weg gehen und gleichzeitig beide Verfahren einleiten würde.

 

Rz. 120

 

Praxistipp:

Zudem ist in Kindschaftsverfahren das doppelte Kostenrisiko zu bedenken, dass durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes in beiden Verfahren ausgelöst wird. Denn wird einem Kind sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im parallel geführten einstweiligen Anordnungsverfahren ein Verfahrensbeistand bestellt, so fällt in jedem dieser Verfahren die Vergütung nach Maßgabe von § 158 Abs. 7 FamFG an, ohne dass eine Anrechnung der einen Vergütung auf die andere in Betracht kommt.[162]

d) Antrag auf mündliche Verhandlung nach ergangener einstweiliger Anordnung § 54 Abs. 2 FamFG

 

Rz. 121

Ist ohne mündliche Verhandlung entschieden worden, muss auf Antrag gem. § 54 Abs. 2 FamFG eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden – und zwar zeitnah![163]

e) Antrag auf Abänderung, § 54 Abs. 1 FamFG

 

Rz. 122

Das Gericht kann seine Entscheidung in der einstw...

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