Entscheidungsstichwort (Thema)

Familiensache: Anforderungen an den verfahrenseinleitenden Antrag. Aussetzung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Der das Verfahren nach § 23 FamFG einleitende Antrag muss nicht notwendig unterzeichnet sein, wenn anders gewährleistet ist, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt und die Person, von der er ausgeht, zuverlässig festgestellt werden kann.

Das Eilbedürfnis des einstweiligen Anordnungsverfahren steht grundsätzlich einer Aussetzung entgegen.

 

Normenkette

FamFG § 23

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 01.09.2010; Aktenzeichen 128 F 15366/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 1.9.2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 1000 EUR zu tragen.

 

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die vom Antragsgegner erhobenen formellen Einwendungen sind nicht gerechtfertigt. Mit Recht hat das AG das Antragserfordernis als gewahrt angesehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Schriftform des § 126 BGB gewahrt ist. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 4 FamFG "soll" der verfahrenseinleitende Antrag lediglich unterschrieben werden, eine zwingende Formvorschrift ist - anders als in den zivilprozessualen Rechtsmittelvorschriften - nicht angeordnet (vgl. z.B. Ahn-Roth in Prütting/Helms § 23 FamFG Rz. 18; Zöller/Feskorn, 28. Aufl., § 23 FamFG Rz. 5). Die Schriftlichkeit soll nur gewährleisten, dass dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Beteiligten dem Gericht zugeleitet worden ist (Gemeinsamer KG der obersten Gerichtshöfe des Bundes NJW 1980, 172; 2000, 2340). Diesen Funktionen wird der Antrag, der den Briefkopf des Bevollmächtigten der Antragstellerin trägt und dem eine eigenhändig unterschriebene eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin, die auf den Antragbezug nimmt, beigefügt war, ohne weiteres gerecht, zumal spätestens in der mündlichen Verhandlung über diesen Antrag am 1.9.2010 eine Genehmigung liegt.

Unerheblich ist, dass der Antrag zunächst auf eine "einstweilige Verfügung" gerichtet war, da auch Prozesserklärungen sachgerecht auszulegen sind.

In der Sache hat das AG mit Recht als glaubhaft gemacht angesehen, dass der Antragsgegner die Antragstellerin durch wiederholte Anrufe und E-Mails gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen unzumutbar belästigt hat. Dabei ist unerheblich, ob eine E-Mail "als schriftlich gilt". Es ist nicht zu beanstanden, dass das AG es mangels jeglicher anderweitigen Anhaltspunkte als glaubhaft gemacht angesehen hat, dass der Antragsgegner Urheber der E-Mails gewesen ist. Ein Vollbeweis ist im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens gem. § 53 Abs. 1 S. 2 FamFG nicht erforderlich. Es genügt die Glaubhaftmachung, also die überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. z.B. BGH NJW 1996, 1682). Auf der Grundlage dieses Beweismaßstabs ist die Entscheidung des AG zu Recht ergangen.

Das Vorgehen des Antragsgegners war auch nicht durch die einstweilige Verfügung des AG Charlottenburg vom 6.5.2010 gerechtfertigt. Danach war die Antragstellerin zwar zur Aushändigung u.a. der an den Antragsteller gerichteten Post verpflichtet. Mit Recht hat das AG aber die Vorgehensweise des Antragsgegners nicht als Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen gewertet. Dafür bestand bereits aufgrund des gegen den Willen der Antragstellerin in Auftrag gegebenen zweiten Postnachsendeantrags keine Veranlassung mehr. Auch die eingereichten E-Mails sprechen dafür, dass vorrangiges Motiv des Antragsgegners nicht die Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen, sondern ein gezielt gegen die Antragstellerin gerichtetes Vorgehen war. Für die Zukunft, in die die angefochtene einstweilige Anordnung wirkt, fehlt es unabhängig davon an jeder aus der einstweiligen Verfügung des AG Charlottenburg herzuleitenden Berechtigung, zumal auch der zweite Nachsendeantrag storniert worden ist.

Das Verfahren ist nicht wegen der von dem Antragsgegner erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe auszusetzen. Zum einen hat dies das AG mit zutreffenden Erwägungen abgelehnt. Zum anderen sind gem. § 51 Abs. 2 FamFG die Vorschriften über das Verfahren in der Hauptsache im einstweiligen Anordnungsverfahren nur insoweit anzuwenden, als sich aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes nicht etwas anderes ergibt. Zu diesen Besonderheiten gehören typischerweise die Eilbedürftigkeit des Verfahrens und dessen summarischer Zuschnitt, so dass eine Aussetzung des Verfahrens grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die es rechtfertigen würden von dem Grundsatz abzuweichen, dass der Besc...

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