Rz. 1856

Bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot stehen Arbeitgebern in analoger Anwendung von § 61 Abs. 1 HGB die einem Prinzipal bei einem Wettbewerbsverbot eines Handlungsgehilfen zustehenden Ansprüche zu. Das in §§ 60, 61 HGB für Handlungsgehilfen geregelte Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses gilt für alle Arbeitnehmer (vgl. BAG v. 25.11.2021 – 8 AZR 226/20, juris Rn 38; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11; BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09). Für die Verjährung der Ansprüche gilt die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB (vgl. BAG v. 25.11.2021 – 8 AZR 226/20, juris Rn 50; BAG v. 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, juris Rn 68; BAG v. 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, juris Rn 43 ff.; BAG v. 26.9.2007, NZA 2007, 1436 = DB 2007, 2656).

 

Rz. 1857

Der Arbeitgeber kann Unterlassung des Wettbewerbes verlangen. Entscheidend ist jedoch der unabhängig davon bestehende Anspruch auf Schadensersatz (Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB, vgl. BAG v. 30.5.2018 – 10 AZR 789/16, juris Rn 26). Dazu zählt nicht nur der tatsächlich erwachsene Schaden, sondern auch der entgangene Gewinn, den der Arbeitgeber erzielt hätte, wenn er das Geschäft abgeschlossen hätte. Der Gewinn-Herausgabeanspruch umfasst m.E. auch einen etwaigen Zusatzgewinn, den der Arbeitnehmer für sich mit der Begründung beansprucht, dass dieser (nur) durch seine besondere Cleverness entstanden sei. Dies folgt zum einen daraus, dass der Arbeitnehmer für seine Verletzungshandlung "keine Belohnung" beanspruchen kann, und zum anderen aus der nur schwierig lösbaren Aufteilung zwischen normalen Gewinn und Zusatzgewinn (a.A. Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb, § 54 Rn 22).

 

Praxistipp

1. Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umsatz nicht eingetreten wäre (Naturalrestitution).
2. Ist die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend, hat der Ersatzverpflichtete den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 151 Abs. 1 BGB.
3. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen.
4. Nach § 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 26.2.2016 – 1 Sa 164/15, juris Rn 118).
 

Rz. 1858

Herausverlangen kann der Arbeitgeber den Nettogewinn. Von dem Anspruch sind etwaige Aufwendungen abzuziehen. Dazu zählt nicht der eigene Zeitaufwand. Denn würde ein solcher Rechnungsposten zugelassen, könnte dies den Ersatzanspruch des Arbeitgebers leerlaufen lassen (vgl. LAG Niedersachsen v. 12.11.2015 – 7 Sa 1690/14, juris Rn 38).

 

Praxistipp

1- Der Arbeitgeber muss grds. die von dem Arbeitnehmer getätigten Aufwendungen gem. § 670 BGB erstatten.
2. Dies ist aber hinsichtlich der Zeit, die ein Beauftragter für den Auftrag aufwendet, nicht der Fall.
3. Der Einsatz der eigenen Arbeitskraft zählt grds. nicht zu den erstattungsfähigen Aufwendungen.
4. Der eigene Arbeitsaufwand des Arbeitnehmers ist nicht als gewinnmindernd zu berücksichtigen (vgl. LAG Niedersachsen v. 12.11.2015 – 7 Sa 1690/14, juris Rn 34–37).
 

Rz. 1859

Der Geschädigte (Arbeitgeber) muss die Umstände darlegen (und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen), aus denen sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umstände des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung des § 252 BGB und § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine strengen Anforderungen gestellt werden. Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerblichen Schadens, für den es im Hinblick auf die künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt. Greifbare Anknüpfungstatsachen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind, muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen (vgl. BAG v. 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, juris Rn 28; BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, juris Rn 23 ff m.w.N. BAG v. 26.9.2012 – 10 AZR 370/10, juris Rn 18 ff. m.w.N.).

 

Rz. 1860

Dabei besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit der Stufenklage nach § 254 ZPO (vgl. ausführlich zu Stufenklage: BAG v. 25.11.2021 – 8 AZR 226/20, juris). Ein Arbeitgeber, der davon erfährt, dass ein Arbeitnehmer versucht, einzelne Kunden abzuwerben, kann eine auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung und Schadensersatz gerichtete Stufenklage erheben, auch wenn er noch keine Kenntnis hat, ob und – wenn ja – mit welchen (weiteren) Kunden in welchem Umfang Verträge vermittelt oder abgeschlossen wurden. Die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB beginnt be...

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