Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberin bei wettbewerbswidrigem und unlauterem Verhalten des Vertriebsleiters. Informations- und Schadensabwendungspflichten im laufenden Arbeitsverhältnis. Unbegründete Vergütungsklage bei widerklagender Aufrechnung der Arbeitgeberin mit Schadensersatzansprüchen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin aus § 241 Abs. 2 BGB; es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung, die "an sich" geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

2. Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist dem Arbeitnehmer aufgrund des Wettbewerbsverbots sowohl eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse als auch eine Unterstützung einer Wettbewerberin der Arbeitgeberin untersagt; ist kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB vereinbart, darf der Arbeitnehmer auch schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten, allerdings ohne Entfaltung einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden.

3. Zu den aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitenden Pflichten gehört im Arbeitsverhältnis auch die Schadensabwendungspflicht, nach der der Arbeitnehmer gehalten ist, drohende Schäden von der Arbeitgeberin abzuwenden oder zu beseitigen, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist; dazu hat er insbesondere bemerkbare oder voraussehbare Schäden oder Gefahren der Arbeitgeberin unverzüglich anzuzeigen.

4. Als Prokurist und Mitglied der Geschäftsleitung trifft den Vertriebsleiter eines IT-Dienstleistungsunternehmens in gesteigertem Maß die Verpflichtung, die Arbeitgeberin über Vorgänge zu unterrichten, die ihre Kundenbeziehungen gefährden, so dass der Arbeitnehmer die Arbeitgeberin nicht nur umfassend über einen drohenden Kundenverlust sondern auch über das Geschäftsmodell einer Kundin zu unterrichten hat, welches ausweislich des Businessplans maßgeblich auf die Übernahme der Vertragsbeziehungen mit Kunden der Arbeitgeberin ausgerichtet ist; die Informationspflicht betrifft auch den Umstand, dass ein noch einem Wettbewerbsverbot unterliegendes ehemaliges Vorstandsmitglied in den weiteren Aufbau einer konkurrierenden Gesellschaft eingebunden ist.

5. Ein Arbeitnehmer, der als Gehilfe (§ 830 Abs. 2 BGB) an einem wettbewerbswidrigen Verhalten zu Lasten der Arbeitgeberin mitwirkt, ist gemäß § 9 Satz 1, § 4 Nr. 4, § 3 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 249 Abs. 1, § 252 BGB zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens in Form des entgangenen Gewinns verpflichtet; unlauter im Sinne des § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 10 UWG handelt auch, wer sich nicht darauf beschränkt, bei der Gewinnung neuer Arbeitskräfte eine Gelegenheit auszunutzen, wie sie sich im gewöhnlichen Ablauf des Wirtschaftslebens darbietet, sondern zielbewusst darauf hinwirkt, zum eigenen Vorteil der Mitbewerberin Arbeitskräfte auszuspannen, auch auf die Gefahr hin, diese in ihrer geschäftlichen Tätigkeit ernsthaft zu behindern.

6. Soll der wirtschaftliche Erfolg einer Gesellschaft zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung durch den Arbeitnehmer darauf gegründet werden, wesentliche Kunden der Arbeitgeberin und den zur Betreuung dieser Kunden notwendigen Mitarbeiterstamm zu übernehmen und die Arbeitgeberin unter massivem Verstoß gegen Loyalitätspflichten hierüber in Unkenntnis zu halten, um den eigenen wirtschaftlichen Erfolg zu ermöglichen, liegt eine Beteiligung des Arbeitnehmers an unerlaubten Handlungen des Wettbewerbsrecht im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB vor, wenn er diese fördert und unterstützt, in dem er an dem Businessplan der Wettbewerberin aktiv mitarbeitet und entgegen seiner aus § 241 Abs. 2 BGB resultierenden Pflicht die Arbeitgeberin auf die hieraus entstehenden Gefahren nicht hinweist; die Haftung des Gehilfen gemäß § 830 Abs. 1 BGB erstreckt sich unabhängig von seinen eigenen Verursachungsbeiträgen auf den gesamten Schaden.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1, §§ 252, 280 Abs. 1, § 830; UWG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 4, § 9; BGB § 611 Abs. 1, § 830 Abs. 2; UWG § 4 Nr. 10, § 9 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 15.01.2015; Aktenzeichen 10 Ca 2782/14)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.01.2015 - 10 Ca 2782/14 - teilweise abgeändert und der Tenor wie folgt neu gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.06.2014 nicht aufgelöst worden ist.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.160,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.080,00 EUR seit dem 01.06.2014 und dem 01.07.2014 zu zahlen.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    4. Au...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge