Rz. 633

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG haben Arbeitnehmer einschließlich der geringfügig und kurzzeitig Beschäftigten einen Anspruch auf Arbeitsentgelt bis zur Dauer von 6 Wochen, wenn sie durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, ohne dass sie ein Verschulden trifft. Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, liegt nach zutreffender Auffassung des BAG ein Fall des Unvermögens vor (BAG v. 21.5.1992, NZA 1993, 497). Dass der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nicht arbeiten muss, ergibt sich unmittelbar aus § 275 Abs. 1 BGB. Die Unzumutbarkeitsvorschrift aus § 275 Abs. 3 BGB findet hier keinen Raum, kann allerdings Bedeutung haben für arbeitnehmerähnliche Personen, die nicht dem Anwendungsbereich des EFZG unterliegen.

 

Rz. 634

Der Begriff der Krankheit ist gesetzlich nicht definiert. Unter Krankheit versteht man den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand (vgl. dazu Schaub, ArbRHB, § 98 Abs. 2 S. 1). Für den Begriff der Krankheit ist unerheblich, auf welchen Ursachen sie beruht. Diese kann allenfalls bei der Frage des Selbstverschuldens eine Rolle spielen.

 

Rz. 635

Arbeitsunfähig infolge Krankheit ist der Arbeitnehmer dann, wenn ein Krankheitsgeschehen ihn außerstande setzt, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Arbeit zu verrichten, oder wenn er die Arbeit nur unter der Gefahr verrichten könnte, in absehbar naher Zeit seinen Zustand zu verschlechtern (BAG v. 26.7.1989, BB 1990, 140 = DB 1990, 229).

 

Rz. 636

Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss die alleinige Ursache dafür sein, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbringt (st. Rspr., vgl. etwa BAG v. 13.12.2011 – 1 AZR 495/10, BB 2012, 1023; BAG v. 5.7.1995, NZA 1996, 137 = DB 1995, 2480; BAG v. 8.3.1989, NZA 1989, 688 = DB 1989, 1777). An dieser fehlt es, wenn die Arbeit zumindest auch aus einem anderen Grund nicht geleistet worden ist. Soll geklärt werden, ob die Arbeitsleistung allein wegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht erbracht worden ist, ist danach zu fragen, ob die Arbeitsleistung erbracht worden wäre, wenn der Arbeitnehmer nicht krank geworden wäre (BAG v. 26.6.1996, BB 1996, 2045 = NZA 1996, 1087).

 

Rz. 637

 

Beispiel

Wird die für einen Wochentag normalerweise anfallende Arbeit durch Betriebsvereinbarung aufgrund eines Tarifvertrages in zulässiger Weise anderweitig verteilt, hat der Arbeitnehmer, der an dem arbeitsfreien Tag (noch) arbeitsunfähig krank ist, für diesen Tag keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung (BAG v. 7.8.1988, BB 1989, 69 = DB 1989, 132).

 

Rz. 638

Schuldhaft handelt der Arbeitnehmer dann, wenn er gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Allein die Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften stellt kein Verschulden gegen sich selbst dar. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass Betriebsunfälle nur bei grob fahrlässiger Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften verschuldet sind.

 

Rz. 639

Sehr praxisrelevant sind Sportunfälle. Diese sind dann vom Arbeitnehmer verschuldet, wenn er an einer besonders gefährlichen Sportart teilnimmt oder wenn er sich in einer seine Kräfte deutlich übersteigenden Art sportlich betätigt oder in besonders grober und leichtsinniger Weise gegen anerkannte Regeln des Sports verstößt.

 

Rz. 640

Eine besonders gefährliche Sportart ist dann gegeben, wenn das Verletzungsrisiko auch durch einen gut trainierten Sportler nicht auszuschließen ist. In diesen Fällen ist wohl ein Verstoß gegen Treu und Glauben anzunehmen, würde man das Verletzungsrisiko dem Arbeitgeber aufbürden.

 

Rz. 641

 

Beispiele

Selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit liegt dann vor, wenn sie die Folge eines Unfalles bei der Ausübung eines Moto-Cross-Rennens ist (BAG v. 25.2.1972, BB 1972, 710 = DB 1972, 977).

Verletzungen, die der Arbeitnehmer bei der Teilnahme an Fußballwettkämpfen im Amateurbereich erleidet, sind nicht als Fall verschuldeter Arbeitsunfähigkeit zu werten (BAG v. 21.1.1976, BB 1976, 793 = DB 1976, 1162).

Drachenfliegen ist keine besonders gefährliche Sportart, wenn die bekannten Sicherheitsvorkehrungen und Regeln beachtet werden (LAG München v. 7.10.1981, DB 1982, 494).

Streichelt ein Arbeitnehmer einen Hund, obwohl er vom Hundehalter davor gewarnt und auf die Bissigkeit des Hundes hingewiesen wurde, handelt er schuldhaft i.S.d. § 3 EFZG mit der Folge, dass er den Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber verliert (ArbG Wetzlar v. 4.4.1995, DB 1995, 1468 = BB 1995, 2325).

Das Drehen einer Satellitenschüssel auf dem Dach eines Wohnhauses stellt regelmäßig keine besonders gefährliche Situation dar. Möchte der Arbeitgeber den Einwand des "Verschuldens gegen sich selbst" bringen, muss er die besonders gefährlichen Umstände und das besonders nachlässige Verhalten des Arbeitnehmers unter Beweis stellen (ArbG Passau v. 6.3.1995, BB 1995, 935).

Ein nicht auf Alkoholabhängigkeit beruhender Alkoholmissbrauch im Betrieb ist an sich geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen, sodass dann auch ...

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