a) Postmortale und transmortale Vollmacht

 

Rz. 71

Die postmortale und transmortale Vollmacht ermöglicht es dem Bevollmächtigten, auch nach dem Versterben des Vollmachtgebers unabhängig von Ermittlung und Willen der Erben und unabhängig von der Vorlage eines Erbscheins oder eines Testaments mit Eröffnungsvermerk rechtsgeschäftlich tätig zu werden. Aufgrund von ihm geschlossener Verträge scheiden Nachlassgegenstände aus dem Nachlass aus, während die Gegenleistungen in den Nachlass fallen. Darüber hinaus kann der Bevollmächtigte im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht über Nachlassgegenstände auch unentgeltlich verfügen. Der Bevollmächtigte kann mithin alle Rechtsgeschäfte vornehmen wie ursprünglich der Erblasser in eigener Person. Die Wirkungen des rechtsgeschäftlichen Handelns des Bevollmächtigten treten jedoch nicht mehr in der Person des Erblassers, sondern des bzw. der Erben ein.[117] Eine namentliche Bezeichnung der Erben ist dabei nicht erforderlich.[118]

Die Vollmacht kann sowohl zu Lebzeiten als Rechtsgeschäft unter Lebenden erteilt werden als auch im Rahmen letztwilliger Verfügungen von Todes wegen, wobei letzterer Fall problematisch ist, da die Übergangsfunktion der Vollmacht bis zum Zugang der Willenserklärung nicht gewährleistet ist.[119]

 

Rz. 72

Bei seinem rechtsgeschäftlichen Handeln bedarf der Bevollmächtigte auch dann, wenn zu den Erben Minderjährige gehören, nicht der familiengerichtlichen Genehmigung, selbst wenn dies bei eigenem Handeln der Erben erforderlich wäre.[120]

Die postmortale Vollmacht bezieht sich nur auf den Nachlass und erstreckt sich nicht auf das Privatvermögen des Erben, da insoweit nur der Erbe selbst wirksam Vollmacht erteilen kann.[121]

[117] BGHZ 87, 19; OLG Frankfurt ErbR 2018, 157 m. Anm. Wendt; ZEV 2012, 377; OLG Hamm ZEV 2013, 341.
[118] OLG Frankfurt ZEV 2012, 377; LG Stuttgart ZEV 2008, 198.
[119] Werner, ZErb 2019, 137, 138.
[120] RGZ 88, 345; RGZ 106, 185; Dietz, in: Bengel/Reimann, § 1 Rn 50.
[121] BGH FamRZ 1983, 477; Grüneberg/Weidlich, § 1922 Rn 33, Einf. Vor § 2197 Rn 10.

b) Umschreibung des Grundbuchs

 

Rz. 73

Betreffend die Möglichkeit der Umschreibung des Grundbuches unter Vorlage der post- oder transmortalen Vollmacht wurde bis dato nicht höchstrichterlich entschieden.[122] Mittels der post- oder transmortalen Vollmacht soll nach Ansicht des OLG Schleswig auch eine Umschreibung erfolgen können, wenn der Bevollmächtigte Miterbe des Vollmachtgebers ist. Der Bevollmächtigte leitet sein Recht vom Erblasser her, die § 925 BGB sowie §§ 19, 13 GBO finden Anwendung.[123]

Nach Ansicht des KG Berlin bedarf auch der handelnde Alleinerbe keines Nachweises der Erbfolge in Form des § 35 GBO, wenn dieser eine transmortale Vollmacht vorlegt und erklärt Alleinerben zu sein. Der Vollmachtnehmer gibt die Erklärung im Namen der Erben des Vollmachtgebers ab.[124]

[122] Vgl. betreffend sämtliche Entscheidungen der letzten Jahre zusammenfassend: Wendt, ErbR 2021, 657 ff.; zur Problematik einer Belastung eines Grundstücks mit einer Finanzierungsgrundschuld aufgrund transmortaler Vollmacht sowie die Möglichkeit des Absehens einer Voreintragung gem. § 40 GBO: bejahend OLG Hamburg ErbR 2023, 55, 56; OLG Karlsruhe ErbR 2023, 60, 61; verneinend: OLG Bremen ErbR 202357, 58.
[123] Plottek, ZErb 2021, 253, 254; OLG Schleswig, Urt. v. 15.7.2014 – 2 W 48/14, notar 2015, 20.
[124] KG Berlin FamRZ 2021, 1672, 1673; a.A. OLG München, NJW 2016, 3381; Plottek, ZErb 2021, 253, 255; Weidlich, ZEV 2016, 57, 60.

c) Sonderfall: Post- und transmortale Kontovollmacht

 

Rz. 74

Grundsätzlich hat die Bank, wenn von einer post- oder transmortalen Kontovollmacht Gebrauch gemacht wird, die ihr erteilten Weisungen unverzüglich und vorbehaltlos zu erfüllen. Insbesondere ist die Bank nicht berechtigt oder verpflichtet, die Zustimmung des Erben abzuwarten oder durch Zuwarten den Widerruf der Vollmacht zu ermöglichen.[125] Bei einer zögerlichen Ausführung läuft die Bank sogar Gefahr, sich schadensersatzpflichtig zu machen.[126]

 

Rz. 75

Ist die Verfügungsbefugnis des Bevollmächtigten nicht bereits im Vollmachtsformular geregelt und lässt sich daher eine Einschränkung nicht erkennen, so ist der Umfang der Vertretungsmacht durch Auslegung zu ermitteln.[127]

Im Grundsatz anerkannt ist, dass die Verfügungsbefugnis nur die üblichen Kontovorgänge umfasst. Bei verständiger Auslegung einer Vollmacht kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese auch zu einer Kontoauflösung oder Umwandlung in ein Einzelkonto berechtigt.[128]

 

Rz. 76

Eine Ausnahme kann jedoch bei gegenseitiger Bevollmächtigung von Ehegatten bestehen, wenn beide Mitinhaber eines Oder-Kontos mit beiderseitiger Verfügungsbefugnis sind. Hier kann der Zweck der Bevollmächtigung auch darin liegen, dass der Bevollmächtigte nach dem Tod des Kontoinhabers abgesichert sein soll und umgehend über das Guthaben verfügen kann. In so einem Fall ist eine transmortale Vollmacht zwischen Eheleuten dahin auszulegen, dass der überlebende Teil zu seiner Absicherung berechtigt ist, ein gemeinsames Konto, zu welchem er die Alleinzeichnungsbefugnis besitzt (Oder-Konto), in ein Einzelkonto umzuwandeln. Es muss jedoch eine Schen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge