Rz. 197

Ein minderjähriges Kind hat nach Vollendung des 15. Lebensjahres und/oder Beendigung der Vollschulzeitpflicht nicht nur einen Unterhaltsanspruch nach § 1610 Abs. 2 während der (Berufs-)Ausbildungszeit, sondern das Recht auf eine angemessene Ausbildung, die es in die Lage versetzt später seinen Unterhalt selbst durch eigene Erwerbstätigkeit sicherzustellen.[257] Allerdings trifft das Kind auch eine Ausbildungsobliegenheit.[258] Diese Obliegenheit kann das Kind durch Fortführung der allgemeinen Schulausbildung, Aufnahme einer Berufsausbildung oder Studiums (solche Fälle sind vor dem Hintergrund des G8 denkbar) erfüllen.

Sofern es dieser nicht nachkommt, besteht die Erwerbsobliegenheit für das minderjährige Kind. Ein Minderjähriger, der die Schule nicht mehr besucht, aber auch keine Ausbildung aufnimmt, ist nicht mehr bedürftig.[259] Während der Ausbildung hingegen ist das Kind bedürftig i.S.d. § 1602.

 

Rz. 198

Minderjährige Schüler brauchen neben dem Schulbesuch keiner Nebentätigkeit nachzugehen, da sie insofern keine Erwerbsobliegenheit trifft.[260] Grund hierfür ist, dass sich der minderjährige Schüler seiner Ausbildung mit ganzer Kraft sowie dem gehörigen Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit widmen soll, um den vorgesehenen Schulabschluss innerhalb angemessener und üblicher Dauer erfolgreich zu erreichen.[261] Dies gilt selbstverständlich auch für die (Sommer-) Ferienzeit, da der Schulbesuch mit der Ausübung einer Vollzeittätigkeit vergleichbar ist, neben der dem Unterhaltsgläubiger nur in Ausnahmefällen die Aufnahme einer Nebentätigkeit obliegt.[262]

 

Rz. 199

Die Aufnahme einer Nebentätigkeit bei Schulbesuch ist dem minderjährigen Kind selbst bei sehr beengten wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltsschuldners nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen zuzumuten. Dies ist dann der Fall, wenn die Nebentätigkeit auch eine durchaus sinnvolle Ergänzung zur Ausbildung darstellt und ihr Umfang den Schüler nicht übermäßig, z.B. vier Wochenstunden, belastet.[263] Allerdings muss der Unterhaltsschuldner in der Konsequenz eine sich hieraus ergebende Verlängerung der Ausbildungszeit hinnehmen.[264]

[257] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 54.
[258] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 55.
[259] OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 758.
[260] OLG Brandenburg NJW-RR 2011, 725.
[261] BGH FamRZ 1987, 470; KG FamRZ 1982, 516.
[262] Weinreich/Eder, § 1602 Rn 22.
[263] OLG Hamm FamRZ 1988, 425.
[264] Weinreich/Eder, § 1602 Rn 24.

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