Rz. 54

Wurde der Klageantrag des Klägers auf Zahlung der Geschäftsgebühr mangels materiell-rechtlichem Ersatzanspruchs zurückgewiesen, kann er bei entsprechender Kostengrundentscheidung im Falle des Obsiegens bei der Festsetzung die ungeminderte Verfahrensgebühr beanspruchen. Gleiches gilt für den Beklagten, der in der Regel die vorgerichtliche Geschäftsgebühr nicht ersetzt bekommt. Der verbleibende Schaden beim Mandanten mindert sich so auf die halbe Geschäftsgebühr. Ist nur ein Teil der Geschäftsgebühr tituliert oder gezahlt, gilt auch hier, dass die Anrechnung nur insoweit zu erfolgen hat, soweit die Zahlung oder Titulierung erfolgt ist.

 

Rz. 55

Da sich nach § 15a Abs. 3 RVG der Dritte auf die Anrechnung berufen kann, ist diese in der Regel nicht von Amts wegen vorzunehmen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich aus den Gerichtsakten oder dem Festsetzungsantrag eindeutig ergibt, dass die Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 RVG (Abs. 2 a.F.) vorliegen. In diesem Fall darf der Rechtspfleger oder Urkundsbeamte nicht sehenden Auges eine falsche Entscheidung treffen. Andernfalls würden mehr an Gebühren tituliert, als überhaupt angefallen sind.

a) Vergleich

 

Rz. 56

Besonders haftungsträchtig und streitanfällig ist die Anrechnung bei Abschluss eines Vergleichs. Hier wird bei den Vergleichsverhandlungen leider oft die Anrechnung aus den Augen verloren. Das böse Erwachen kommt dann bei der Festsetzung. Dabei hat sich der BGH bereits 2010 ausführlich zu den Voraussetzungen der Gebührenanrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren nach einem Prozessvergleich geäußert.[27] Eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren erfolgt nur, wenn sich aus dem Vergleich eindeutig ergibt, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr mit umfasst ist. Dies ist jedoch insbesondere bei der weit verbreiteten Formulierung, wonach zur Abgeltung aller Ansprüche ein Betrag X gezahlt wird, nicht der Fall. Zwar reicht es einigen Untergerichten auch aus, wenn sich aus den Umständen ergibt, in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr mit einbezogen wurde. Dieses (Haftungs-)Risiko sollte der Anwalt jedoch keinesfalls eingehen.

 

Rz. 57

 

Praxistipp

Der Vertreter des Erstattungspflichtigen sollte bei der Formulierung des Vergleichs genau darauf achten, dass die von dem Vergleichsbetrag mitumfasste Geschäftsgebühr genau bestimmt ist, z.B. "In dem Vergleichsbetrag ist auch eine … Geschäftsgebühr aus einem Wert von … enthalten".

b) Anwaltswechsel

 

Rz. 58

Auch wenn aufgrund eines Anwaltswechsels zwischen den verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten nach dem RVG keine Anrechnung vorzunehmen ist, kommt der erstattungspflichtige Dritte unter Umständen wie bei einem Anwaltswechsel innerhalb des Verfahrens auf die Idee, sich unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Kosten dennoch auf eine fiktive Anrechnung zu berufen. Für die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens hat der BGH jedoch die Auffassung vertreten, dass eine solche nicht in Betracht kommt, wenn beide Gebühren von verschiedenen Rechtsanwälten verdient worden sind.[28] Anders wird dies hingegen vom BGH im Fall des selbstständigen Beweisverfahrens[29] und des Mahnverfahrens[30] gesehen. Wird die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens und die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens von verschiedenen Rechtsanwälten verdient, sind die Mehrkosten wie bei einem Anwaltswechsels innerhalb des Verfahrens nur bei Notwendigkeit nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO zu erstatten.

c) Vergütungsvereinbarung

 

Rz. 59

Wie bereits festgestellt, scheidet eine Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr bei Abschluss einer Vergütungsvereinbarung aus, da die Voraussetzungen nicht vorliegen. Kann sich der Gegner vielleicht dennoch auf eine Anrechnung berufen, wenn er die Vergütung aus der Vergütungsvereinbarung erstatten muss, da sie die gesetzliche übersteigt? Bei Vereinbarung eines Pauschalhonorars hat der BGH entschieden, dass eine Anrechnung nicht in Betracht komme, wenn zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr i.S.v. Nr. 2300 VV RVG entstanden ist, sondern sie ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorprozessuales Tätigwerden ein von einzelnen Aufträgen unabhängiges Pauschalhonorar schuldet[31] bzw. eine nach dem RVG zulässige Vergütungsvereinbarung getroffen hat.[32] Anders hat er dies jedoch bei einem Verfahren vor der Vergabekammer gesehen.[33] Der Grundsatz der Nichtanrechenbarkeit unterliege allerdings dann einer Einschränkung, wenn die von den Parteien in einem Vergleich getroffene Kostenreglung darauf beruht, dass eine außergerichtliche anrechenbare Geschäfts...

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