Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 4 O 326/14)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Streitwert: 811,20 EUR.

 

Gründe

I. Das gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO als sofortige Beschwerde statthafte und auch im Übrigen zulässige (§§ 567 Abs. 2; 569 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 ZPO) Rechtsmittel der Beklagten ist in der Sache unbegründet. Der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss ist nicht zu beanstanden.

1. Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Beklagten gegen das der Kostenausgleichung zugrunde liegende Rechenwerk im angegriffenen Beschluss allein insoweit, als dort eine bestimmte Anrechnung unterblieben sei; anderweitige Bedenken gegen die sachliche und rechnerische Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung sind auch nicht ersichtlich. Bezüglich der Anrechnung ist (trotz missverständlicher Formulierungen am Anfang der Rechtsmittelbegründung) zugunsten der Beklagten davon auszugehen, dass sie diese - gestützt auf Vorbem. 3 (4) Satz 1 RVG-VV - lediglich hinsichtlich der Hälfte der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr von netto 1.622,40 EUR und nicht im Umfang der Hälfte der gesamten ursprünglich als vorgerichtliche Anwaltskosten eingeklagten Summe von 1.954,46 EUR erstreben.

Dieses Begehren ist jedoch nicht gerechtfertigt.

2. Zu Recht hat das Landgericht davon abgesehen, auf Klägerseite eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorzunehmen. Denn die Voraussetzungen des § 15 a Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Nach dieser Vorschrift kann sich ein Dritter - also ein außerhalb des Rechtsverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant Stehender - auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Keines dieser Erfordernisse ist im vorliegenden Fall erfüllt.

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen nach einem im Rechtsstreit geschlossenen "Gesamtvergleich" der Parteien über die Hauptforderung und die als Nebenforderung mit eingeklagte vorprozessual entstandene anwaltliche Geschäftsgebühr die Anrechnung dieser Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen sei, war seit Inkrafttreten des § 15 a RVG in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im kostenrechtlichen Schrifttum stark umstritten (zum Meinungsstand: OLG Zweibrücken NJW-RR 2011, 502 ff. sowie Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 104 Rdnr. 21 - Stichwort: "Geschäftsgebühr", lit. g); jeweils m.w.Nachw.). Nach der klärenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 7. Dezember 2010 (NJW 2011, 861 f.; dem folgend beispielsweise OLG Bamberg Rpfleger 2014, 108 f.), der sich auch das erkennende Gericht anschließt, ist im Ergebnis davon auszugehen, dass eine Anrechnung nicht in Betracht kommt, wenn der Prozessvergleich keine ausdrückliche Regelung dazu enthält, inwieweit die vom Kläger mit eingeklagte Geschäftsgebühr vom Beklagten zu zahlen ist oder inwieweit eine solche Geschäftsgebühr in der vom Beklagten zu zahlenden Vergleichssumme enthalten sein soll. Daher obliegt es einem Beklagten, bei Abschluss eines Prozessvergleichs für eine eindeutige Regelung dahin zu sorgen, dass und in welchem Umfang mit eingeklagte Anwaltskosten der vorgerichtlichen Vertretung in die Vergleichssumme einbezogen sein sollen. Eine derartige prozessuale Obliegenheit anzunehmen, ist für die belastete Partei jedenfalls Anfang des Jahres 2015 - der in Rede stehende Vergleich wurde am 26. Januar 2015 geschlossen - auch ohne Weiteres zumutbar gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war das Anrechnungsproblem angesichts zahlreicher Entscheidungen der Oberlandesgerichte und des bereits 2011 veröffentlichten Beschlusses des Bundesgerichtshofes seit vielen Jahren bekannt und musste jedem Anwalt geläufig sein (OLG Koblenz NJW-RR 2014, 768).

Im Einzelnen gilt zu den Voraussetzungen des § 15 a Abs. 2 RVG im Anschluss an die Erwägungen des Bundesgerichtshofes das Folgende:

a) Im Kostenfestsetzungsverfahren haben materiell-rechtliche Einwendungen grundsätzlich unbeachtlich zu bleiben. Die nach § 15 a Abs. 2 Fall 1 RVG zulässige Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr im Fall der Erfüllung lässt ausnahmsweise eine materiell-rechtliche Einwendung zu. Im Hinblick auf die begrenzte Prüfungsbefugnis des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren ist hierfür aber Voraussetzung, dass die Erfüllung unstreitig und ohne weiteres feststellbar ist, inwieweit einer Leistung des Vergleichsbetrages Erfüllungswirkung hinsichtlich der Geschäftsgebühr zukam. Das ist bei einer fehlenden Bezifferung des auf die Geschäftsgebühr entfallenden Zahlungsbetrages im Vergleich nicht gegeben. In einem derartigen Fall hilft auch eine im Vergleich enthaltene Abgeltungsklausel nicht weiter. Aus dieser folgt nämlich lediglich, dass die Geschäftsgebühr durch den Vergleich erledigt worden ist und daher im Verhältnis der Prozessparteien nicht mehr geltend gemacht werden kann, nic...

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