Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nach einem Prozessvergleich.

 

Normenkette

RVG § 15a

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Beschluss vom 19.07.2016; Aktenzeichen 15 O 477/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 19. Juli 2016 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 392,60 EUR

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, bleibt in der Sache allerdings ohne Erfolg.

Die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 VV-RVG angeordnete Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr ist im Verhältnis der Prozessparteien untereinander ohne Bedeutung. Der Kläger kann die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG beanspruchen.

Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr kommt nicht nach den Regelungen in § 15a Abs. 2 RVG in Betracht (vgl. BGH VI ZB 45/10, Beschluss vom 7. Dezember 2010, juris Rn. 8 ff). Danach kann ein Dritter sich auf die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat oder wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Keine dieser Varianten ist vorliegend gegeben.

Im Kostenfestsetzungsverfahren bleiben materiell-rechtliche Einwendungen grundsätzlich außer Betracht. Die nach § 15a Abs. 2 Fall 1 RVG zulässige Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr im Fall der Erfüllung lässt ausnahmsweise eine materiell-rechtliche Einwendung zu. Im Hinblick auf die begrenzte Prüfungsbefugnis des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren ist hierfür aber Voraussetzung, dass die Erfüllung unstreitig oder ohne weiteres feststellbar ist. Dies ist vorliegend schon im Hinblick auf die fehlende Bezifferung des auf die Geschäftsgebühr entfallenden Zahlungsbetrags im Vergleich vom 9. Juni 2016 (Bl. 60 GA) nicht der Fall.

Der Formulierung des Vergleichs ist nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Geschäftsgebühr bei der Festsetzung des Vergleichsbetrags berücksichtigt worden ist. Dass die Kostenforderung in den Vergleichsbetrag eingeflossen ist, ist möglich, jedoch nicht zwingend. Selbst im Fall vollständiger Leistung des Vergleichsbetrags kann nicht ohne weiteres festgestellt werden, inwieweit dieser Zahlung Erfüllungswirkung im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 1 RVG hinsichtlich der Geschäftsgebühr zukommen könnte. Auch aus der Abgeltungsklausel des Vergleichs folgt nicht zwingend, dass mit der Leistung der Vergleichssumme die geltend gemachten Ansprüche als in voller Höhe erfüllt gelten sollten. Sie bedeutet lediglich, dass der Kläger auf die Forderungen verzichtet, die die Vergleichssumme der Höhe nach übersteigen.

Der Vergleich stellt auch keinen die Anrechnung gemäß § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG rechtfertigenden Vollstreckungstitel bezüglich der Geschäftsgebühr dar. Es kann dahinstehen, ob von einer Titulierung durch den Vergleich dann ausgegangen werden könnte, wenn der Vergleich eine unmissverständliche Regelung enthielte, wonach die entsprechende Gebühr in einer bestimmten Höhe abgegolten werde. Jedenfalls für den Fall, dass der Vergleich eine solche ausdrückliche Regelung nicht enthält, stellt er keinen Vollstreckungstitel für die Geschäftsgebühr gegen den Dritten dar. Dies folgt schon daraus, dass nur dann, wenn der Vergleich die Geschäftsgebühr als eigenen bezifferten Gegenstand ausweist, konkret festgestellt werden kann, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr auf die entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Auch der Wortlaut des § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG macht das Erfordernis einer betragsmäßigen Bezifferung des Anspruchs deutlich. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, "soweit ... wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht".

Im Vergleich vom 9. Juni 2016 ist nur die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zwischen den Parteien tituliert. In welchem Umfang die vorgerichtlichen Kosten mit dem Vergleichsschluss erledigt werden sollten bzw. in der Vergleichssumme, die an den Kläger zu zahlen ist, eingeschlossen sind, lässt sich daraus nicht entnehmen.

Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr kann auch nicht nach § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG erfolgen. Die Voraussetzungen der Anrechnung sind jedenfalls mangels einer betragsmäßigen Bezifferung der Geschäftsgebühr im Vergleich nicht gegeben.

Wäre "dasselbe Verfahren" im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG umfassend als Hauptsache- und Kostenfestsetzungsverfahren zu verstehen, ist nach Sinn und Zweck der Regelungen in § 15a Abs. 2 RVG die Anrechnung jedenfalls daran gebunden, dass die Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren erfolgreich geltend gemacht worden ist. Nur dann kann die Geschäftsge...

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