Rz. 19

Nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB finden die §§ 305 ff. BGB keine Anwendung auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Der Begriff des Tarifvertrags ist vor dem Hintergrund des § 1 TVG zu verstehen, so dass hierunter Verträge zwischen mindestens einer Gewerkschaft auf der einen und einem Arbeitgeberverband oder einem Einzelunternehmen auf der anderen Seite zu fassen sind, die sich auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen beziehen.[34] Die gesetzlich vorgesehene Nichtanwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Tarifverträge erklärt sich dadurch, dass der Gesetzgeber eine gerichtliche Inhaltskontrolle hier als zu gravierenden Eingriff in die Tarifautonomie ansah.[35]

 

Rz. 20

Mit Blick auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen verfängt dieses Argument zwar nicht. Jedoch folgt auch hier aus dem Umstand, dass die Kollektivvereinbarung unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebs-/Personalrats quasi "auf Augenhöhe" ausgehandelt wurde, eine gewisse Richtigkeitsgewähr,[36] die für den Gesetzgeber ebenfalls Argument war, Betriebs- und Dienstvereinbarungen von der AGB-Kontrolle auszunehmen. Klarzustellen ist dabei, dass unter den Begriff der Betriebsvereinbarungen auch freiwillige Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 88 BetrVG und selbstverständlich auch Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen zu fassen sind, da auch diese gem. § 77 Abs. 4 BetrVG normativ gelten.[37]

 

Rz. 21

Nicht erfasst sind dagegen bloße Regelungsabreden der Betriebsparteien, da diese eben nicht normativ gelten, sondern lediglich die Betriebsparteien schuldrechtlich binden.[38] Selbiges gilt im Ergebnis für kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien. Auch diese entfalten keine normative Wirkung und werden dementsprechend nicht vom Anwendungsausschluss des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB erfasst.

Richtlinien i.S.d. SprAuG sollen in jedenfalls analoger Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB der AGB-Kontrolle entzogen sein, wenn und soweit sie normativ gelten.[39] Dies ist allerdings nur dann bzw. insoweit der Fall, als zwischen Arbeitgeber und Sprecherausschuss die unmittelbare und zwingende Wirkung der Richtlinie vereinbart ist (§ 28 Abs. 2 S. 1 SprAuG).[40]

[34] Däubler/Deinert/Walser/Däubler, § 310 BGB Rn 24.
[35] Vgl. hierzu oben unter Rdn 19 ff.
[36] Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, § 310 BGB Rn 42.
[37] Däubler/Deinert/Walser/Däubler, § 310 BGB Rn 32; Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, § 310 BGB Rn 44.
[38] ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rn 127; Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, § 310 BGB Rn 46.
[39] Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, § 310 BGB Rn 46.
[40] ErfK/Oetker, § 28 SprAuG Rn 7 ff.

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