aa) Allgemeines

 

Rz. 357

Nach § 9 TzBfG hat der Arbeitgeber einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen.

Die Vorschrift klingt "harmlos". Nach dem Verständnis des BAG ist sie jedoch "Spiegelbild" zu § 8 TzBfG.[730] Damit begründet auch § 9 TzBfG einen Rechtsanspruch, der auf Verlängerung der individuellen Arbeitszeit gerichtet ist.[731] Dieser Anspruch ist im Ergebnis noch weiter als der auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG (siehe oben Rdn 330 ff.). Versagt der Arbeitgeber die Vertragsänderung zu Unrecht, kann das Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers, insbesondere bezüglich der Vergütungsdifferenz, begründen.[732]

[731] BAG 16.9.2008 – 9 AZR 781/07, NZA 2008, 1285; ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rn 2; Bauer, NZA 2000, 1039, 1041; Kliemt, NZA 2001, 63, 68.

bb) Voraussetzungen

(1) Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer

 

Rz. 358

Den Anspruch aus § 9 TzBfG haben nur teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Es ist nicht erforderlich, dass sie erst durch Geltendmachung des Anspruchs aus § 8 TzBfG in Teilzeit arbeiten.[733] Nach § 9a Abs. 4 TzBfG können Arbeitnehmer während der "Brückenteilzeit" keine Verlängerung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG verlangen.[734] Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer können über § 9 TzBfG nicht eine höhere Arbeitszeit verlangen. Das Verlängerungsverlangen muss aber auch nicht auf eine Vollzeittätigkeit gerichtet sein. In Betracht kommt auch eine Teilzeittätigkeit mit erhöhter Stundenzahl.[735] Auch eine Teilzeittätigkeit mit höherer Stundenzahl kann Gegenstand des Anspruches sein. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer kann aber höchstens eine Verlängerung auf die Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten (siehe Rdn 223 f.) verlangen. Der Anspruch steht auch befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu.[736]

[733] ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rn 3; Annuß/Thüsing/Jacobs, § 9 Rn 4; Meinel/Heyn/Herms, § 9 TzBfG Rn 10.

(2) Anzeige des Verlängerungswunsches

 

Rz. 359

Anspruchsberechtigt sind nur Arbeitnehmer, die dem Arbeitgeber zuvor den Wunsch auf Verlängerung der Arbeitszeit nach § 7 Abs. 2 TzBfG angezeigt haben. Die Anzeige kann formfrei erfolgen.

Der Arbeitnehmer muss den Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit in Textform i.S.d. § 126b BGB geltend machen.

 

Rz. 360

Es soll jedoch nicht notwendig sein, einen präzisen Verlängerungsumfang anzugeben.[737] Ebenso soll es nicht notwendig sein, dass sich der Wunsch des Arbeitnehmers auf einen bestimmten Arbeitsplatz bezieht.[738] Andererseits soll § 9 TzBfG nicht die Lage der Arbeitszeit betreffen, sondern nur die Verlängerung.[739] Das kann jedoch nicht richtig sein, da der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen nicht feststellen kann, ob ein entsprechender freier Arbeitsplatz vorliegt. Der Verlängerungs- und Neuverteilungswunsch muss daher präzise sein.

 

Rz. 361

Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer bei der Besetzung des Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass

es sich dabei nicht um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz handelt oder
der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer vom Arbeitgeber bevorzugter Bewerber oder
Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer oder
dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
[737] LAG Düsseldorf 23.3.2006 – 5 (3) Sa 13/06, FA 2006, 253; Annuß/Thüsing/Jacobs, § 9 Rn 9; ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rn 4.
[739] ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rn 4.

cc) Entsprechender freier Arbeitsplatz

 

Rz. 362

Nach § 9 S. 2 TzBfG liegt ein freier zu besetzender Arbeitsplatz vor, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen.

Bei dem Arbeitgeber muss somit ein entsprechender Arbeitsplatz frei werden. Dies kann ein neu geschaffener Arbeitsplatz sein. Der Anspruch besteht aber auch, wenn ein Arbeitsplatz dadurch frei wird, dass ein anderer Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheidet.

Der Arbeitgeber ist jedoch nicht verpflichtet, einen Arbeitsplatz so zuzuschneiden, dass er dem Wunsch des Arbeitnehmers entspricht.[740] Ein entsprechender Arbeitsplatz ist gegeben, wenn auf dem zu besetzenden freien Arbeitsplatz die gleiche oder eine zumindest vergleichbare Tätigkeit auszuüben ist, wie sie der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer schuldet, der den Wunsch nach der Verlängerung der Arbeitszeit angezeigt hat. Hinsichtlich der Eignung und Qualifikation muss der Teilzeitbeschäftigte den objektiven Anforderungen dieses Arbeitsplatzes ge...

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