Rz. 439

Nach § 4 EFZG ist dem Arbeitnehmer während der Dauer der Entgeltfortzahlung das ihm zustehende Arbeitsentgelt bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit fortzuzahlen.

 

Rz. 440

Das EFZG legt für die Bemessung der Entgeltfortzahlung grundsätzlich das Entgeltausfallprinzip zugrunde. Entgeltausfallprinzip bedeutet, dass der Arbeitnehmer so zu stellen ist, als hätte er gearbeitet (Fortzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts). Es greift auf eine Fiktion zurück und fragt, was ein Arbeitnehmer verdient hätte, wenn er nicht an seiner Leistungserbringung gehindert wäre.

Jedoch gilt das Entgeltausfallprinzip nicht ohne Einschränkungen, sondern als modifiziertes Entgeltausfallprinzip. Zum einen wird auf die regelmäßige Arbeitszeit abgestellt. Außerdem werden (fiktive) Überstunden aus der Berechnung des Entgelts herausgenommen.[1009]

Abzugrenzen ist das Entgeltausfallprinzip vom sog Referenzprinzip, wie es etwa im Bundesurlaubsgesetz (§ 11 BUrlG) oder im Mutterschutzgesetz (§ 11 MuSchG) gilt. Es stellt auf einen zurückliegenden Zeitraum ab, und knüpft regelmäßig daran an, was ein Arbeitnehmer tatsächlich verdient hat, bevor er durch ein Ereignis an seiner Arbeitsleistung gehindert war.

 

Rz. 441

Für die Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung ist die für den Arbeitnehmer maßgebliche regelmäßige Arbeitszeit (Zeitfaktor) und das dem Arbeitnehmer für diese Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt (Geldfaktor) zu bestimmen. Bei einer verstetigten Arbeitszeit und verstetigter monatlicher Vergütung bereitet die Berechnung der Entgeltfortzahlung keine besonderen Schwierigkeiten; dann wird das regelmäßige monatliche Gehalt für die Dauer von bis zu 6 Wochen durchgezahlt.[1010]

Erhält der Arbeitnehmer eine Stundenvergütung, ist der Stundensatz mit den während der Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Stunden zu multiplizieren.

[1009] BAG 21.11.2001 – 5 AZR 296/00, RdA 2003, 48 m. Anm. Schmitt; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 98 Rn 75, 81.

(1) Zeitfaktor

 

Rz. 442

Der Zeitfaktor bestimmt sich nach der für den Arbeitnehmer maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit; diese richtet sich allein nach den individuellen und nicht nach den betrieblichen Verhältnissen.[1011] Maßgebend ist die tatsächliche Arbeitszeit, also das "gelebte Rechtsverhältnis" als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens, und nicht der Vertragstext.[1012] Überstunden sind bei der Feststellung der regelmäßigen Arbeitszeit nicht zu berücksichtigen, § 4 Abs. 1a EFZG.[1013]

 

Rz. 443

Auf die Wirksamkeit der für die individuelle Arbeitszeit maßgeblichen Rechtsgrundlage kommt es nicht an. So kann auch eine unter Verletzung des Arbeitszeitrechts zustande gekommene konkludente Erhöhung der täglichen Arbeitsverpflichtung von Bedeutung sein. Etwaige gesetzliche oder tarifvertragliche Höchstarbeitsgrenzen dienen dem Schutz des Arbeitnehmers, bewahren den Arbeitgeber jedoch nicht vor der Pflicht, die darüber hinausgehende Arbeitszeit zu vergüten.[1014]

Bei wechselnder Arbeitszeit ist zur Bestimmung der "regelmäßigen Arbeitszeit" eine vergangenheitsbezogene Betrachtung zulässig und geboten. Die regelmäßige Arbeitszeit bemisst sich dann nach dem Durchschnitt der vergangenen 12 Monate.[1015] Ausfallzeiten (z.B. Urlaub und Krankheit) bleiben unberücksichtigt. Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit weniger als ein Jahr gedauert, ist dessen gesamter Zeitraum maßgebend.[1016]

Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast zu der maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit, wenn er den Arbeitszeitdurchschnitt der vergangenen 12 Monate darlegt. Das Maß der zu fordernden Substantiierung richtet sich nach der Einlassung des Arbeitgebers: Überstunden hat der Arbeitgeber entsprechend der Fassung des § 4 Abs. 1a EFZG einzuwenden. Der Arbeitgeber trägt für die Minderung der zu berücksichtigenden durchschnittlichen Arbeitszeit die Darlegungs- und Beweislast.[1017]

[1013] BAG 26.6.2002 – 5 AZR 153/01, NZA 2003, 156; ErfK/Reinhard, § 4 EFZG Rn 7.
[1014] BAG 26.6.2002 – 5 AZR 592/00, BB 2002, 2236; ErfK/Reinhard, § 4 EFZG Rn 6.
[1015] Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 98 Rn 76.
[1017] BAG 9.7.2003 – 5 AZR 610/01, n.v.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 98 Rn 79.

(2) Geldfaktor

 

Rz. 444

Der Geldfaktor bestimmt sich nach dem vereinbarten Brutto-Entgelt; Arbeitsentgelt im Sinne des EFZG ist demnach die Brutto-Vergütung, die der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine erbrachte Arbeitsleistung erhält, sog. Bruttolohnprinzip. Hierbei ist ebenfalls das Mindestlohngesetz einzuhalten.[1018]

Werden Naturalleistungen als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit gewährt, so handelt es sich um Arbeitsentgelt i.S.d. § 4 EFZG. Diese sind während des Zeitraums der Entgeltfortzahlung weiter zu entrichten oder in bar nach den Werten der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu verg...

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