Rz. 1704
Ein Arbeitgeber kann Leistungen, die den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses betreffen, nicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehen.[3895] Ein solcher würde gegen die Wertung des § 307 Abs. 2 BGB verstoßen. Das BAG konkretisiert den Kernbereich anhand zweier Grenzen – der tariflichen Vergütung einerseits und einem bestimmten Höchstsatz an der Gesamtvergütung andererseits. Der Kernbereich soll immer dann betroffen und ein Widerrufsvorbehalt somit unzulässig sein, wenn dem Arbeitnehmer nach Ausübung des Widerrufs nicht mehr die tarifliche Vergütung verbleibt. Diese Einschränkung ist allerdings abzulehnen. Tarifverträge sind kein tauglicher Maßstab für die Inhaltskontrolle (siehe dazu Rdn 175 ff.). Im Übrigen darf bei Tarifgebundenheit der Tariflohn ohnehin nicht unterschritten werden. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber ohne gesetzliche Anordnung an den Tariflohn als Untergrenze zu binden, wäre höchst bedenklich.[3896] Vorzugswürdig ist es, stattdessen die Rechtsprechung zur sittenwidrig niedrigen Vergütung als absolute Untergrenze für den Widerrufsvorbehalt heranzuziehen (siehe dazu Rdn 1720).
Rz. 1705
Ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich soll auch dann vorliegen, wenn ein bestimmter Prozentsatz des Gesamtverdienstes widerruflich gestellt wird. Die genaue Höhe bestimmt das BAG nach der Art der zu widerrufenden Leistung. Für im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungen muss der widerrufliche Teil unter 25 % des Gesamtverdienstes liegen.[3897] Bei Zahlungen, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen (z.B. Aufwendungsersatz), soll sich der widerrufliche Teil auf bis zu 30 % der Gesamtvergütung erhöhen dürfen.[3898] Soll ein höherer Anteil der Vergütung flexibilisiert werden, ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt (siehe dazu Rdn 896 ff.) oder eine Teilbefristung (siehe dazu Rdn 618 ff.) in Betracht zu ziehen.
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