Rz. 50

Der Anwalt wird i.d.R. gehalten sein, die entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten als materiell-rechtliche Schadensposition einzuklagen. Dabei sind die nachfolgenden Grundsätze zu beachten:

 

Rz. 51

Wird der beim Verkehrsunfall entstandene Schaden mit der Klage geltend gemacht, sind die als Geschäftsgebühr erfassten Rechtsanwaltskosten eng mit der Hauptsache verbunden und stellen daher lediglich eine Nebenforderung dar, die gem. § 4 ZPO nicht den Streitwert der Hauptsache erhöhen, selbst wenn sie in einem eigenen Klagantrag geltend gemacht werden.[31] Dies liegt allerdings dann anders, wenn (allein) Rechtsanwaltskosten verfolgt werden, die in keiner Abhängigkeit zu einer (nicht gerichtlich verfolgten) Hauptforderung stehen[32] – dies auch im Fall einer Teilerledigung.[33] Die Höhe des Gegenstandswertes der zugesprochenen Geschäftsgebühr bemisst sich aus den begründeten Ersatzbeträgen der Hauptsache.[34]

Hat ein Rechtsschutzversicherer eine Zahlung auf die Geschäftsgebühr geleistet, so geht der Anspruch auf Erstattung mit der Zahlung auf den Rechtsschutzversicherer über, § 86 Satz 1 VVG. Will der Geschädigte, auch soweit vom Rechtsschutzversicherer gezahlt wurde, die Geschäftsgebühr rechtshängig machen, so muss er vom Rechtsschutzversicherer (Rück-)Abtretung erbitten oder im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft Zahlung an den Rechtsschutzversicherer beantragen.

 

Rz. 52

Ferner ist zu beachten, dass die vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nicht festgesetzt werden kann.[35] Die Geltendmachung der Geschäftsgebühr bleibt vielmehr dem Erkenntnisverfahren vorbehalten.

Hat der Mandant die vorgerichtlichen Anwaltskosten noch nicht gezahlt, kann auf Freistellung geklagt werden.

Muster 19.11: Freistellungsantrag

 

Muster 19.11: Freistellungsantrag

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Forderung seiner Prozessbevollmächtigten wegen der vorgerichtlichen Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche aufgrund des Verkehrsunfalls vom _________________________ in Höhe von _________________________ EUR gem. der Kostennote vom _________________________ freizustellen.

 

Rz. 53

Dieser Freistellungsantrag muss die Verpflichtung, von der Freistellung begehrt wird, so genau wie möglich bezeichnen. Es kommt dabei weniger auf die Bezeichnung der Gebührentatbestände, sondern in erster Linie auf das Datum der anwaltlichen Honorarnote an. Der Gebührenanspruch muss fällig sein und setzt daher eine anwaltliche Honorarnote voraus.[36]

 

Rz. 54

Der Freistellungsanspruch kann sich jedoch auch in einen "direkten" Zahlungsanspruch wandeln, § 250 BGB. Nach vorerwähnter Norm steht dem Geschädigten ein Ersatzanspruch in Geld (an seine Person) zu, wenn er dem Schuldner eine Frist zur Erfüllung gesetzt und dabei erklärt hat, dass er nach erfolglosem Fristablauf eine Erfüllung ablehnt.[37]

 

Rz. 55

Muster 19.12: Umwandlung des Zahlungsanspruchs in einen Freistellungsanspruch

 

Muster 19.12: Umwandlung des Zahlungsanspruchs in einen Freistellungsanspruch

Es ist unerheblich, ob die Voraussetzungen der §§ 8, 10 RVG erfüllt sind. Der Kläger macht einen materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen Dritte geltend. Der Schädiger schuldet im Falle eines Unfalls die Erstattung des für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlichen Geldbetrags (Palandt/Grüneberg, 78. Aufl., § 249 Rn 11). Der Dritte kann sich in einem solchen Fall nicht darauf berufen, dass die Voraussetzungen von § 8 RVG nicht vorlägen und auch nicht darauf, dass der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten noch keine Gebührennote im Sinne von § 10 RVG gestellt hat (LG Frankfurt/Main, Urt. v. 27.1.2010 – 2–16 S 162/09; Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., § 10 Rn 7; AnwK-RVG, 7. Aufl., § 10 Rn 12 und 112), weil die §§ 8, 10 RVG nur das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant betreffen (OLG Koblenz, Urt. v. 5.9.2011 – 12 U 713/10).

Es kommt auch nicht darauf an, ob der Geschädigte den mit der Klage geltend gemachten Betrag bereits seinerseits an den Rechtsanwalt gezahlt hat. Zwar bestand zunächst nur ein Anspruch auf Befreiung des Geschädigten von dessen Verbindlichkeit gegenüber seinem Rechtsanwalt. Dieser Befreiungsanspruch wandelt sich jedoch entweder mit fruchtlosem Verstreichen einer gesetzten Frist gemäß § 250 S. 2 BGB oder aufgrund ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung in einen Zahlungsanspruch (AG Andernach, Urt. v. 21.11.2014 – 62 C 504/14; AG Kaiserslautern, Urt. v. 23.9.2014 – 11 C 895/14; MüKo zum BGB, 6. Aufl., § 250 Rn 7). § 250 BGB eröffnet dem Geschädigten die Möglichkeit, unabhängig von den §§ 249 Abs. 2, 251 BGB zu einem Anspruch auf Geldersatz zu gelangen, wenn er dem Ersatzpflichtigen erfolglos eine Frist zur Herstellung, d.h. hier Haftungsfreistellung, mit Ablehnungsandrohung setzt. Dem steht es nach ständiger Rechtsprechung des BGH gleich, wenn der Schuldner die geforderte Herstellung oder überhaupt jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert. Dann wandelt sich der Freistellung- in einen Zahlungsans...

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