Rz. 134

Die den Pflichtteilsberechtigten am meisten beeinträchtigende Klausel ist die so genannte Jastrow'sche Klausel (Pflichtteilsstrafklausel). Bei dieser erhalten diejenigen Abkömmlinge, die keinen Pflichtteil geltend machen, einen zusätzlichen Vermächtnisanspruch am Nachlass des Erstversterbenden, der jedoch erst mit dem zweiten Todesfall fällig wird. Die "Bestrafung" tritt dadurch ein, dass sich der Nachlass des Längstlebenden wegen der Vermächtnislasten aus dem Nachlass des Erstversterbenden reduziert und somit auch der Pflichtteil nach dem zweiten Todesfall betragsmäßig verringert wird. Erbschaftsteuerlich führt das auf den Tod des überlebenden Ehepartners gestundete Vermächtnis aber zu einer Anwendung des § 6 Abs. 4 ErbStG mit der Folge, dass damit nicht der Freibetrag nach dem Erstverstorbenen ausgenutzt werden kann.[243] Zu überlegen ist daher bei der Pflichtteilsstrafklausel, ob den Abkömmlingen bereits vermächtnisweise ein Sachgegenstand aus dem Nachlass (Immobilie) übertragen und dem überlebenden Ehepartner hieran der Nießbrauch eingeräumt wird.

Zu beachten gilt es bei der Jastrow'schen Klausel, dass der Vermächtnisanspruch der Abkömmlinge, die einen Pflichtteil nicht geltend machen, grundsätzlich frei vererblich und übertragbar ist, wenn das Vermächnis mit dem ersten Erbfall anfällt.[244] Ferner sollten bei der Pflichtteilsstrafklausel die Vermächtnisse insgesamt der Höhe nach auf den Nachlass begrenzt werden, der zum Zeitpunkt des Todes des Längstlebenden vorhanden ist, da andernfalls ein Schadensersatzanspruch und ggf. ein Anspruch auf Sicherung durch Arrest oder einstweilige Verfügung bestehen kann.[245]

 

Rz. 135

Muster 19.29: Pflichtteilsstrafklausel (Jastrow'sche Klausel)

 

Muster 19.29: Pflichtteilsstrafklausel (Jastrow'sche Klausel)

Verlangt einer unserer Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil, Zusatzpflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsanspruch, dann ist er mit seinem ganzen Stamm sowohl für den ersten als auch für den zweiten Erbfall von der Erbfolge einschließlich aller angeordneter Vermächtnisse und Auflagen ausgeschlossen.

Die hier angeordnete auflösend bedingte Schlusserbeinsetzung wird in nicht wechselbezüglicher und bindender Weise getroffen, so dass der überlebende Ehegatte die Möglichkeit hat, die Enterbung für den Schlusserbfall zu widerrufen bzw. abzuändern. Er kann jedoch nur den Zustand wiederherstellen, der vor Eintritt der Enterbung bestanden hat. Er ist nicht berechtigt, eine ansonsten andere Schlusserbfolge anzuordnen.

Ein Pflichtteilsverlangen liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch in einer den Verzug begründenden Weise geltend gemacht hat. Dem gleichgestellt ist der Fall, dass der Berechtigte einen Wertermittlungsanspruch geltend gemacht hat. Das bloße Auskunftsverlangen durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses führt hingegen nicht zum Eintritt der Bedingung und zu einer Enterbung im Schlusserbfall.

Wird der Pflichtteilsanspruch nach dem Tode des überlebenden Ehepartners im Einvernehmen mit allen Schlusserben geltend gemacht, erfüllt dies ebenfalls nicht den Tatbestand der auflösenden Bedingung. In diesem Fall entfällt auch das nachfolgende Vermächtnis.

Diejenigen Abkömmlinge, die ihren Pflichtteil nicht geltend machen, erhalten aus dem Nachlass des Erstversterbenden im Wege des Sachvermächtnisses in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils Gegenstände aus dem Nachlass des Erstversterbenden, wobei hinsichtlich der Höhe des Vermächtnisses eine Berücksichtigung von Vorempfängen nach §§ 2050 ff. BGB nicht zu erfolgen hat. Die Auswahl der Vermächtnisgegenstände obliegt dem Beschwerten. Das Vermächtnis fällt mit dem Tod des Überlebenden an und steht nur den zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Bedachten zu. Der bzw. die Vermächtnisansprüche sind der Höhe nach auf den im Schlusserbfall verbleibenden Nachlass begrenzt.

[243] Zur möglichen Steuerproblematik von zinslos gestundeten Vermächtnissen vgl. Rdn 33.
[244] Vgl. Weiss, MDR 1980, 812.
[245] Vgl. v. Olshausen, DNotZ 1979, 707.

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