Rz. 899

Von einem Freiwilligkeitsvorbehalt ist auszugehen, wenn sich der Arbeitgeber vorbehalten hat, die Zahlung einer Leistung einzustellen. Wer ohne Rechtspflicht zahlt, kann die Leistung auf der Grundlage eines ausgeübten Freiwilligkeitsvorbehaltes einstellen. Zwar hat ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht die Bedeutung, dass eine freiwillig gezahlte Leistung ohne Rechtsgrund erbracht wurde und man sie daher bereicherungsrechtlich zurückfordern könnte. Mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt wird aber eine betriebliche Übung verhindert, die in Zukunft zu gleichartigen Leistungen verpflichten würde.

 

Rz. 900

Nach der bisherigen Dogmatik unterliegen Freiwilligkeitsvorbehalte grds. keiner AGB-Kontrolle. Es fehlt nämlich bereits an dem Merkmal der Vertragsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, weil der Arbeitgeber nur erklärt, sich in der Zukunft nicht binden zu wollen (Thüsing/Leder, DB 2005, 1563, 1567; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 268). Von einer von Rechtsvorschriften abweichenden Regelung i.S.d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB kann dann nicht ausgegangen werden. Freiwilligkeitsvorbehalte in AGB sind deshalb grds. zulässig (BAG v. 18.3.2009, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43; BAG v. 10.12.2008, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; BAG v. 30.7.2008, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 38). Gleichfalls ist eine sog. Ausübungskontrolle auch nicht vorzunehmen. Eine Bindung an § 315 Abs. 1 BGB oder § 106 GewO besteht nicht. Auch hierbei unterscheidet sich der Freiwilligkeits- vom Widerrufsvorbehalt. Hierbei ist auch kein Wertungswiderspruch zum Widerrufsvorbehalt festzustellen. Die Unterscheidung zum Widerrufsvorbehalt liegt nämlich in der Freiwilligkeit. Allenfalls eine Missbrauchskontrolle nach den allgemeinen Grundsätzen ist vorzunehmen (Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1567; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 268).

 

Rz. 901

Bei den Freiwilligkeitsvorbehalten bezogen auf Entgeltbestandteile gilt es allerdings Besonderheiten zu beachten. Sieht ein vom Arbeitgeber vorformulierter Arbeitsvertrag eine monatlich zu zahlende Leistungszulage unter Ausschluss jeden Rechtsanspruches vor, benachteiligt dies den Arbeitnehmer unangemessen. Wird die Zahlung eines 13. Monatsgehalts im Arbeitsvertrag als "freiwillige Leistung" bezeichnet, so genügt dieser Hinweis nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen. Die Formulierung "zusätzlich zum Grundgehalt wird eine Weihnachtsgratifikation gezahlt" begründet typischerweise einen Entgeltanspruch. Die Bezeichnung als "freiwillige Leistung" schließt einen Rechtsanspruch auf die Leistung ebenso wenig aus wie die Formulierung "derzeit" (BAG v. 23.8.2017 – 10 AZR 376/16). Die Vereinbarung in AGB, dass die "Zahlung eines 13. Gehalts eine freiwillige Leistung der Firma ist, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann" begründet bei Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB einen unbedingten Anspruch auf Zahlung. (BAG v. 17. 2013 – 10 AZR 281/12). Allein die Bezeichnung eines Weihnachtsgeldes im Arbeitsvertrag als "freiwillige soziale Leistung" genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auszuschließen. Ein sog. Freiwilligkeitsvorbehalt im Hinblick auf eine Sonderzahlung ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn er gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn einem Arbeitnehmer in einem vorformulierten Arbeitsvertrag ausdrücklich zugesagt wird, jedes Jahr ein Weihnachtsgeld zu erhalten, diese Zahlung jedoch in derselben oder in einer anderen Klausel an einen Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt gebunden wird (LAG Rheinland-Pfalz v. 8.8. 2018 – 4 Sa 433/17). Wenn Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag nach Voraussetzungen und Höhe präzise festgelegt werden, legt dies das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs nahe. In der Kombination eines solchen vertraglichen Anspruchs mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt liegt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit des Vorbehalts führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (BAG v. 20.2. 2013 – 10 AZR 177/12). Die Klausel ist unwirksam. Eine ergänzende Vertragsauslegung in Richtung Widerrufsvorbehalt scheidet aus, denn sie setzt voraus, dass ermittelt werden kann, welche Regelungen die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel und bei sachgerechter Abwägung der Interessen getroffen hätten (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81). Wird demgemäß eine Zahlung des Arbeitgebers lediglich als Leistungszulage ohne weitere Angaben bezeichnet, lässt dies keine hinreichenden Rückschlüsse auf Widerrufsgründe i.S.d. § 308 Nr. 4 BGB zu (BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853). Die Klausel ist unwirksam.

 

Rz. 902

Ein Verstoß gegen das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verankerte Transparenzgebot, Vertragsklauseln klar und verständlich zu formulieren, liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einem von ihm vorformulierten Arbeitsvertrag sich zu einer Bonuszahlung verpflichtet und im Widerspruch dazu in einer anderen Vertragsklausel einen Rechtsansp...

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