Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeitnehmers auf eine Weihnachtsgratifikation

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Freiwilligkeitsvorbehalt hinsichtlich zu gewährender zusätzlicher Leistungen in einem Arbeitsvertrag ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Es stellt sich nämlich als widersprüchlich dar, wenn arbeitsvertraglich zwar ein jährlich zu zahlendes Weihnachtsgeld zugesagt wird, die Zahlung des Weihnachtsgeldes jedoch in derselben oder einer anderen Vertragsklausel unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt wird.

 

Normenkette

BGB §§ 151, 307 Abs. 1, §§ 611, 307 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 12.09.2017; Aktenzeichen 8 Ca 624/17)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12.09.2017 , Az. 8 Ca 624/17, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe eines dem Kläger zustehenden Anspruchs auf Zahlung einer jährlichen Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2016.

Der Kläger ist seit 1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt belief sich zuletzt auf 2.580,42 €. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält in § 4, Ziffer 6 folgende Bestimmung:

"6. Weihnachts- und Urlaubsgeld

Der Arbeitnehmer erhält eine jährliche Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatslohnes, bezogen auf dem aus der 40-Stunden-Woche sich ergebenden Monatslohn. Diese Gratifikation ist jeweils zusammen mit dem Lohn für den Monat November eines Kalenderjahres zahlbar.

Dem Arbeitnehmer wird ein Urlaubsgeld in Höhe von DM 42,00 (in Worten: zweiundvierzig) pro Urlaubstag gezahlt.

Das Urlaubsgeld wird mit der Lohnabrechnung für den Monat Juni ausgezahlt.

Die Zahlung von Gratifikationen, Prämien oder sonstigen Vergütungen erfolgt freiwillig und unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufes. Auch durch mehrmalige Zahlungen wird ein Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet."

Der Kläger erhielt letztmals im Jahr 2004 eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts. Seit 2005 orientiert sich die Beklagte bei der Zahlung der Weihnachtsgratifikation an der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. In den Jahren 2005 bis 2016 haben der Kläger und alle mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer der Beklagten nur eine anteilige Weihnachtsgratifikation erhalten. Der Anteil lag im Zeitraum 2005 bis 2016 zwischen 50 % und 90 % eines Monatsgehalts. Im Einzelnen stellen sich die Zahlungen der Weihnachtsgratifikationen an den Kläger wie folgt dar:

Kalenderjahr

Monatslohn

WG/Jahresprämie

Anteil von Monatslohn

2004

2.249,00

2.249,00

letztmalig 13tes Gehalt

2005

2.249,00

1.550,00

70 % - gerundet

2006

2.249,00

1.124,50

50 %

2007

2.249,00

1.124,50

50 %

2008

2.249,00

1.124,50

50 %

2009

2.253,29

2.000,00

90 % - gerundet

2010

2.253,29

1.000,00

alle MA 1.000,00 €

2011

2.253,29

1.500,00

alle MA 1.500,00 €

2012

2.423,15

1.500,00

alle MA 1.500,00 €

2013

2.423,15

1.939,00

80 %

2014

2.508,09

2.006,47

80 %

2015

2.570,48

1.799,34

70 %

2016

2.570,48

1.300,00

50 % - gerundet

Mit seiner am 24.02.2017 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung einer restlichen Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2016 in Höhe der Differenz zwischen seinem Monatslohn(2.580,42 €) und dem ihm diesbezüglich ausgezahlten Betrag (1.300,00 €) in Anspruch genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12.09.2017 (Bl. 52-56 d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 1.280,42 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 an ihn zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 12.09.2017 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 56-59 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 25.09.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.10.2017 Berufung eingelegt und diese am 24.11.2017 begründet.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, sie - die Beklagte - habe aufgrund "widerspruchsfreier Handhabungshistorie" davon ausgehen können und dürfen, dass der Kläger eine Prämie in Höhe von 50 % seines Monatslohnes, die ihm für 2016 gezahlt worden sei, in gleicher Weise akzeptiere wie er dies bereits in den Jahren 2006, 2007 und 2008 getan habe und wie er z. B. im Jahr 2010 auch ein Weihnachtsgeld von weniger als 50 % seines damaligen Monatslohns widerspruchslos akzeptiert habe. Die seit dem Jahr 2005 praktizierte Regelung sei eine sogenannte "gegenläufige betriebliche Übung" im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Da das BAG erst im Jahr 2009 von dieser Rechtsprechung abger...

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