Rz. 466

Rückzahlungsklauseln sind insb. im Hinblick auf die freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG nur dann wirksam, wenn bestimmte Grenzen eingehalten werden. Durch eine Rückzahlungsvereinbarung darf der Arbeitnehmer nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsausübung behindert werden. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Rückzahlungsklausel ist es, dem Arbeitnehmer nicht den verdienten Lohn für die geleistete Arbeit zu nehmen und die Kündigungsfreiheit sowie das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG nicht durch eine übermäßig lange Bindung in einer für den Arbeitnehmer unzumutbaren und unüberschaubaren Weise einzuschränken. Die Fürsorgepflicht gebietet es dem Arbeitgeber, die mit der Rückzahlungsklausel erstrebte Bindungsdauer nur so weit zu erstrecken, als dies einem sachlich begründeten Interesse entspricht (BAG v. 28.4.2004 – 10 AZR 356/03; LAG Köln v. 30.8.2004 – 4 Sa 610/03).

 

Rz. 467

 

Hinweis

Für einzelvertraglich vereinbarte Rückzahlungsklauseln hat das BAG folgende Grenzwerte entwickelt:

1. Bei Sonderzahlungen bis zu einem Betrag von 100,00 EUR brutto ist eine Rückzahlungsklausel schlechthin unwirksam (BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06).
2. Erhält der Arbeitnehmer einen Betrag, der 100,00 EUR übersteigt, aber einen Bruttomonatsverdienst nicht erreicht, ist ihm regelmäßig zuzumuten, eine Rückzahlungsklausel einzuhalten, die bis zum 31.3. des Folgejahres reicht. Der Arbeitnehmer kann mithin am 31.3. des Folgejahres ausscheiden, ohne die Gratifikation zurückzahlen zu müssen. Eine über den 31.3. des Folgejahres hinausgehende Bindung ist unwirksam (BAG v. 21.5.2003 – 10 AZR 390/02). Diese Grenze gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer nur deswegen kein volles Monatsgehalt erhält, weil er erst im Laufe des Kalenderjahres eingetreten ist. Bei der Ermittlung des Monatseinkommens ist auf die Höhe der Bezüge im Auszahlungsmonat abzustellen (BAG v. 28.4.2004 – 10 AZR 356/03; LAG Schleswig-Holstein v. 8.2.2005 – 5 Sa 435/04; LAG Köln v. 30.8.2004 – 4 Sa 610/03).
3. Erhält der Arbeitnehmer eine Zuwendung i.H.e. vollen Monatsverdienstes, so ist eine Bindung über den 31.3. des Folgejahres hinaus möglich. Hat der Arbeitnehmer bis dahin nur eine Kündigungsmöglichkeit, ist ihm zuzumuten, diese auszulassen, d.h., den Betrieb erst nach dem 31.3. zu verlassen. Jedoch ist eine Bindung über den 30.6. hinaus unzulässig (BAG v. 28.4.2004 – 10 AZR 356/03; BAG v. 21.5.2003 – 10 AZR 390/02).
4. Erhält ein Arbeitnehmer eine Sonderzahlung, die einen Monatsbezug übersteigt, jedoch ein zweifaches Monatsgehalt nicht erreicht, kann er durch eine Rückzahlungsklausel nicht über den 30.6. des folgenden Jahres hinaus gebunden werden, wenn er bis dahin mehrere Kündigungsmöglichkeiten hatte. Eine über den 30.6. des Folgejahres hinausgehende Bindung ist nur dann möglich, wenn die Sonderzahlung ein Monatsgehalt erheblich übersteigt und eine eindrucksvolle und beachtliche Zuwendung darstellt (BAG v. 27.10.1978 – 5 AZR 754/77; BAG v. 12.12.1962 – 5 AZR 324/62).
5. Für absolut unzulässig wird eine ganzjährige Bindung gehalten, weil dies zu einem mit dem sozialen Empfinden unerträglichen permanenten Bindungseffekt führt.
 

Rz. 468

Zahlt der Arbeitgeber die Sondervergütung in Teilbeträgen aus, so kommt es auf die Frage, ob die Zahlungen ein Monatsgehalt übersteigen, auf das Monatsgehalt zum Zeitpunkt der Auszahlung an. Dies gilt ebenso für die Bestimmung der Bindungsdauer (BAG v. 21.5.2003 – 10 AZR 390/02).

 

Rz. 469

Ist eine Rückzahlungsklausel wirksam, verbleibt dem Arbeitnehmer auch nicht der Sockelbetrag von derzeit 100,00 EUR, der für sich genommen nicht mit einer Rückzahlungsklausel belegt werden könnte (BAG v. 11.6.1964 – 5 AZR 472/63; BAG v. 17.3.1982 – 5 AZR 1250/79).

 

Rz. 470

Von den in der Rspr. erarbeiteten Grenzen der Bindungswirkung, die inzwischen weitgehend Anerkennung gefunden haben und auf die die Praxis sich eingestellt hat, kann weder durch Einzelvereinbarung noch durch Betriebsvereinbarung abgewichen werden (BAG v. 16.11.1967 – 5 AZR 157/67). Dagegen haben Tarifvertragsparteien auch hinsichtlich der Bindungsgrenzen einen weiter gehenden Gestaltungsspielraum (BAG v. 3.7.2019 – 10 AZR 300/18; BAG v. 23.2.1967 – 5 AZR 234/66). Tarifvertragsparteien dürfen die von der Rspr. des BAG entwickelte Staffelungsregelung auch zuungunsten der rückzahlungspflichtigen Arbeitnehmer in den ihnen eingeräumten Grenzen abwandeln.

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