Rz. 296

Den Gesellschaftern steht frei, wie sie die GmbH finanzieren, insb. ob sie eine bestimmte Höhe des Stammkapitals vorsehen, ob sie Darlehen gewähren oder Gegenstände mietweise überlassen. §§ 32a und 32b GmbHG a.F. sowie §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO a.F., § 6 AnfG a.F. – sowie nach dem MoMiG (vgl. Rdn 32) die grundlegend reformierten Vorschriften[1101] insb. von §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und 5, 44a, 135 InsO, §§ 6 und 6a AnfG sowie § 64 S 3 GmbH a.F./§ 15b Abs. 4 InsO n.F. – schränken die Anwendung dieser Grundsätze im Fall der Krise der Gesellschaft ein.

(Kapitalersetzende) Gesellschafterdarlehen sind in Handels- und Überschuldungsbilanz (§ 19 Abs. 2 InsO) wie gewöhnliche Darlehen als Passiva zu bilanzieren, sofern der Gesellschafter nicht einen Rangrücktritt erklärt oder mit der Gesellschaft vereinbart (vgl. Rdn 317).

[1101] Nach Vorarbeiten von Huber und Habersack, BB 2006, 1; Lutter (Hrsg.), ZGR Sonderheft 17, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006, 370 ff.; Grundsatzkritik u.a. durch Bork, ZGR 2007, 250.

a) Rechtslage bis zum MoMiG: Eigenkapitalersatz

 

Rz. 297

Vor dem MoMiG sahen §§ 32a, 32b GmbHG a.F. sowie die sog. Rechtsprechungsregeln den Gesellschafter in einer Finanzierungs(folgen)verantwortung für die GmbH; bei einer Krise stand er vor der Alternative, die GmbH zu liquidieren oder ihr neues Eigenkapital zuzuführen. Gewährte er der GmbH stattdessen Darlehen, durfte er diese während der Krise nicht abziehen, sie wurden wie materielles Eigenkapital behandelt.[1102]

[1102] So die Beschreibung des alten Rechts bei Gehrlein, BB 2008, 846, 849.

b) Grundlegende Änderung durch das MoMiG: Gesellschafterdarlehen

 

Rz. 298

Seit dem MoMiG steht die Finanzierung dem Eigenkapital nicht mehr gleich, Gesellschafterleistungen sind gem. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG nicht mehr materielles Eigenkapital.[1103] Es gibt keine eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen mehr. Vielmehr bleiben sie entsprechend ihrer Rechtsform Verbindlichkeit der GmbH. Sie sind aber gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur nachrangige Insolvenzforderungen – ebenso wie "Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem … Darlehen wirtschaftlich entsprechen" (vgl. Rdn 302 ff.). Zudem gibt es nach § 135 InsO in der Insolvenz spezielle Anfechtungsmöglichkeiten (vgl. Rdn 313), außerhalb der Verfahren können Gesellschaftsgläubiger gem. §§ 2, 6, 6a AnfG die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen anfechten.

 

Rz. 299

Die Regeln des § 39 Abs. 4 und 5 InsO zu den Gesellschafterdarlehen sind rechtsformneutral; sie sollen – europarechtlich zweifelhaft[1104] – auch auf EU-Auslandsgesellschaften Anwendung finden, wenn deren Insolvenz nach deutschem Recht abgewickelt wird.[1105]

 

Rz. 300

Sie sind nach h.M. insolvenzrechtliche Normen. Damit gilt der Gläubigerschutz in Hinblick auf Gesellschafterdarlehen nicht schlechthin. Die Normierung im Insolvenzrecht ermöglicht, dass sich eine GmbH den Regelungen durch Verlagerung des Mittelpunkts ihrer wirtschaftlichen Interessen ins Ausland entzieht.[1106]

[1103] So die vorherige Rspr. BGHZ 31, 258, 268.
[1104] Vgl. 7. Aufl., Kap. 28 Rn 27; keine Bedenken z.B. bei Hirte, NJW 2012, 581, 583.
[1105] Regierungsbegründung BT-Drucks 16/6140 (elektr. Fass.), S. 137 f.; Anwendung der herkömmlichen Eigenkapitalersatzregeln auf eine Kapitalgesellschaft eines EU-Mitgliedsstaats in der Insolvenz bejaht – mE zu Unrecht – BGH DB 2011, 2140.
[1106] Hirte, ZInsO 2008, 689, 699; Hirte, ZInsO 2008, 146, 147; Eidenmüller, in: FS Canaris, 2007, S. 49, 68 f.

c) Kreditunwürdigkeit der GmbH nach MoMiG unbeachtlich, aber von Bedeutung für Altfälle

 

Rz. 301

Die durch das MoMiG überholten Vorschriften über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen setzten voraus, dass die Gesellschafter der GmbH in der Krise, statt Eigenkapital zuzuführen, andere Leistungen gewährten. Für Neufälle nach der am 1.11.2008 in Kraft getretenen Neuregelung kommt es auf die nach altem Recht problematisierten Fragen von Kreditunwürdigkeit und ordentlichem Finanzierungsverhalten nicht mehr an (vgl. Rdn 302). Die Rechtslage bei Altfällen regelt Art. 103d S. 1 EGInsO. Nach dessen S. 2 sind in nach Inkrafttreten des MoMiG eröffneten Insolvenzverfahren die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden auf vor dem Inkrafttreten vorgenommene Rechtshandlungen, soweit diese nach dem bisherigen Recht der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfang unterworfen sind. Auch sonst bleibt das alte Recht noch für erhebliche Zeit von Bedeutung.[1107]

[1107] Vgl. allg. zur Frage, "wie lange noch gilt das alte Kapitalersatzrecht", Altmeppen, ZIP 2011, 641 sowie sonst zu Fragen des Anwendung der alten und der neuen Regelungen 8. Aufl., Rn 283. Das Altrecht kann aber auch z.B. eine Rolle spielen in Konstellationen, in denen es Geschäftsführer versäumt haben, nach dem alten Recht zu Unrecht zurückgezahlte Darlehen zurückzufordern und nunmehr (andere) Organmitglieder dafür in Haftung genommen werden, vgl. BGH v. 18.8.2018 – II ZR 152/17, BGHZ 219, 356 Rn 12 ff., vgl. dazu auch die darauffolgende Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 13.11.2020 – I-17 U 29/16, n.v. (Easy Software), juris.

d) Nach MoMiG: Darlehenscharakter entscheidend – ggf. Kündigungsbeschränkung

 

Rz. 302

§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, §§ 6, 6a AnfG (vgl. Rdn 296) gelten für alle Arten von Darlehen von Ge...

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