Rz. 346

Die GmbH kann aufgelöst werden, wenn gem. § 60 Abs. 2 GmbHG ein gesellschaftsvertraglicher oder gem. § 60 Abs. 1 GmbHG ein gesetzlicher Auflösungsgrund vorliegt, insb. Zeitablauf (Nr. 1), Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Nr. 4) bzw. dessen Ablehnung mangels Masse (Nr. 5), registergerichtliche Feststellung eines Mangels des Gesellschaftsvertrags[1271] oder der Vermögenslosigkeit[1272] (Nr. 6 bzw. Nr. 7 i.V.m. §§ 399, 394 FamFG) und Beschluss der Gesellschafterversammlung (Nr. 2), der mangels anderer Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen bedarf.[1273] Möglich ist auch die Auflösung durch Urteil gem. Nr. 3 i.V.m. § 61 Abs. 1 GmbHG, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich wird oder andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende gewichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind.[1274] Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere spezialgesetzliche Auflösungsgründe.[1275] Kein Auflösungsgrund ist z.B. (selbst dauerhafte) Führungslosigkeit, vgl. Rdn 108.[1276] Ob Klauseln des Gesellschaftsvertrags zur Kündigung der GmbH zur Auflösung führen sollen, ist durch Auslegung zu ermitteln: Das GmbHG enthält dazu keine Regelung; solche Klauseln können auch so zu verstehen sein, dass der Kündigende austreten kann oder durch die Kündigung ein anderer Gesellschafter ausgeschlossen werden soll (auflösende Kündigung; Austrittskündigung; Ausschließungskündigung).[1277]

 

Rz. 347

Nach der früheren h.M. zum deutschen IPR sollte die Verlegung des Verwaltungssitzes[1278] in das Ausland zur Auflösung der Gesellschaft führen.[1279] Das gehört seit dem MoMiG der Vergangenheit an. Eine GmbH wird daher nicht mehr zwangsweise aufgelöst, wenn sie ihren Verwaltungssitz in das Ausland verlegt.[1280] § 4a Abs. 1 GmbHG n.F. stellt aber klar, dass der Registersitz der Gesellschaft unverändert im Inland liegen muss.[1281] Auch bei Verwaltungssitz im Ausland muss die GmbH eine Geschäftsanschrift im Inland (vgl. Rdn 42) beibehalten.[1282] Aus der EuGH-Rspr. Cartesio[1283] folgt mE aus der europarechtlichen Wegzugsfreiheit ein Recht der GmbH, sich identitätswahrend durch Formwechsel in eine Rechtsform eines aufnahmebereiten EU-Mitgliedstaats umzuwandeln – ein Rechtsgrundsatz, dem das deutsche Recht noch nicht entspricht.[1284]

[1271] Vgl. BayObLG DB 2001, 645.
[1272] Vgl. KG GmbHR 2001, 33; BayObLG ZIP 2001, 568; OLG Karlsruhe GmbHR 2014, 1098 zu den Voraussetzungen für die Feststellung der Vermögenslosigkeit. Nach Löschung verliert die GmbH Rechts- und Parteifähigkeit gem. § 50 Abs. 1 ZPO, wenn nicht doch noch Anhaltspunkte für verwertbares Vermögen vorhanden sind, BGH v. 20.5.2015 – VII ZB 53/13, NZG 2015, 952. Vgl. zum Löschungsverfahren OLG Düsseldorf v. 1.3.2016 – I-3 Wx 191/15, DB 2016, 1802; OLG Saarbrücken v. 31.1.2020 – 5 W 48/19, GmbHR 2020, 964, 965 zum Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht.
[1273] Das Risiko ist nicht zu übersehen, dass die Auflösung auch dazu missbraucht werden kann, Vermögenswerte einzelnen Gesellschaftern zukommen zu lassen, wodurch die für Vermögensübertragungen oder Umwandlungen sonst eingreifenden Schutzvorschriften zugunsten von Minderheitsgesellschaftern unterlaufen werden können; vgl. exemplarisch zum Aktienrecht die Moto-Meter-Entscheidung, LG Stuttgart ZIP 1993, 514; OLG Stuttgart ZIP 1997, 362; BVerfG NJW 2001, 279; im GmbH-Recht soll die "Methode Moto-Meter" nicht gangbar sein, vgl. Ulmer/Casper, § 60 Rn 43; Scholz/Cziupka, § 60 Rn 22.
[1274] Vgl. OLG München DB 2005, 820, zur Auflösung wegen eines tiefgreifenden Zerwürfnisses festgefügt gegeneinander stehender Gesellschafterblöcke. Zum gleichen Thema OLG Naumburg GmbHR 2012, 804.
[1275] Möglich z.B. Löschung aufgrund Verfügung gem. § 38 Abs. 1 S. 1 KWG, vgl. zu weiteren Gründen z.B. Baumbach/Hueck/Haas, § 60 Rn 76 ff.
[1276] Nicht zur Auflösung führen z.B. auch: Erwerb aller Geschäftsanteile durch eine Person, Verschmelzung (vgl. § 2 Abs. 1 UmwG, wonach Rechtsträger unter Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen werden können, Verschmelzung bewirkt zwingend Untergang des übertragenden Rechtsträgers; bei Formwechsel nach UmwG besteht GmbH in der neuen Rechtsform weiter), Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters; Entziehung erforderlicher Gewerbeerlaubnis; Auflösungsverfügung oder Untersagungsverfügungen der Kartellbehörden; Einstellung, Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens.
[1277] Michalski/Nerlich, § 60 Rn 313 ff.; Scholz/Cziupka, § 60 Rn 90; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 60 Rn 27; vgl. allg. zu den Folgen einer Kündigung für das Rechtsverhältnis der Gesellschaft Menkel, GmbHR 2017, 17.
[1278] Zu unterscheiden ist der Verwaltungssitz, der nach rein tatsächlichen Kriterien als der Ort definiert wird, an dem die maßgeblichen Entscheidungen der Führungsgremien getroffen werden, vom statutarischen Sitz, also dem Ort, den die Satzung der Gesellschaft als "Sitz" bezeichnet.
[1279] Vgl. wegen der Details 9. Aufl., § 14 Rn 343.
[1280] Lutter/Hommelhoff/B...

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