Leitsatz (amtlich)

Die Löschung einer vermögenslosen GmbH nach § 394 Abs. 1 FamFG hat zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein. Nur wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig.

Dabei sind wertlose Forderungen nicht als verwertbares Vermögen anzusehen.

 

Normenkette

ZPO § 50; FamFG § 394 Abs. 1

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Beschluss vom 24.09.2013; Aktenzeichen 7 U 85/13)

LG Berlin (Entscheidung vom 01.03.2013; Aktenzeichen 22 O 174/11)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des KG vom 24.9.2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 106.070,90 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Werklohn für Ingenieurleistungen in Anspruch.

Rz. 2

Die Beklagte zu 1), die ihrerseits mit der ARGE B. einen Vertrag über die Erbringung von Ingenieurleistungen geschlossen hatte, beauftragte die Klägerin als Nachunternehmerin im Mai 2010 mit der Erbringung von Planungsleistungen betreffend das Gewerk Lüftung für das Bauvorhaben B. Aus diesem Vertragsverhältnis steht der Klägerin noch ein Vergütungsanspruch i.H.v. 106.070,90 EUR gegen die Beklagte zu 1) zu.

Rz. 3

Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 1), einer GmbH, war der Beklagte zu 4). Dieser fasste im Mai 2010 den Beschluss, die Gesellschaft zu liquidieren. Im selben Monat gründete der Beklagte zu 4) die Beklagte zu 2), über deren Vermögen im Jahre 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Rz. 4

Am 9.12.2010 stellte die Beklagte zu 1) ihrer Auftraggeberin, der ARGE B., eine Rechnung über 163.846,46 EUR, auf der ein Konto der Beklagten zu 2) angegeben wurde. Nach dem Vortrag der Klägerin zahlte die ARGE B. den Rechnungsbetrag nicht an die Beklagte zu 1), sondern auf das angegebene Konto.

Rz. 5

Am 13.2.2012 wurde gem. § 394 Abs. 1 FamFG von Amts wegen die Löschung der Beklagten zu 1) im Handelsregister eingetragen, nachdem zuvor die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1) mangels Masse abgelehnt worden war.

Rz. 6

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte zu 1) sei parteifähig, da sie noch nicht vollbeendet sei. Sie sei zwar im Handelsregister gelöscht, jedoch nicht vermögenslos. Ihr stünden aufgrund der auf das Konto der Beklagten zu 2) von Seiten der ARGE B. geleisteten Zahlungen Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) zu.

Rz. 7

Das LG hat die Klage gegen die Beklagte zu 1) als unzulässig abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht nach vorherigem Hinweis durch Beschluss als unzulässig verworfen.

Rz. 8

Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin die Aufhebung des die Berufung verwerfenden Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

II.

Rz. 9

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Rz. 10

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Berufung sei unzulässig, da die Beklagte zu 1) nicht mehr existent und mithin nicht parteifähig sei.

Rz. 11

Die Klägerin habe ursprünglich vorgetragen, die Forderungen der Beklagten zu 1) gegen die Beklagte zu 2) seien erst nach der Löschung der Beklagten zu 1) entstanden. Auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts, dass ein Vermögenserwerb der liquidierten GmbH nach deren Löschung ausgeschlossen sei und nicht zum Wiederaufleben der GmbH führen könne, habe die Klägerin ihren Vortrag dahin geändert, dass der Beklagten zu 1) bereits zum Zeitpunkt ihrer Löschung noch erhebliche Forderungen gegen die Beklagte zu 2) zugestanden hätten. Dieser Vortrag sei widersprüchlich. Im Übrigen fehle es an jeglicher Konkretisierung und Begründung dafür, dass diese angeblichen Forderungen zu einem bestimmten Zeitpunkt entstanden seien.

Rz. 12

2. a) Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO, und auch im Übrigen zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG. Diese Verletzung führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, ob sie sich auf das Ergebnis auswirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2009 - II ZB 6/08, NJW 2009, 1083 Rz. 13; v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).

Rz. 13

Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin, die ARGE B. habe auf Forderungen der Beklagten zu 1) Zahlungen an die Beklagte zu 2) erbracht, ohne dass hierfür ein Rechtsgrund im Verhältnis zur Beklagten zu 1) bestanden habe, nicht hinreichend auseinandergesetzt. Es hat diesen Kernvortrag gehörswidrig wegen Widersprüchlichkeit und Unsubstantiiertheit als unbeachtlich außer Betracht gelassen. Diese Vorgehensweise verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

Rz. 14

aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht zwar ausgeführt, dass das Vorbringen der Klägerin zur Vermögenslosigkeit der Beklagten zu 1) widersprüchlich ist. Dieser Umstand rechtfertigt die Nichtberücksichtigung des Vorbringens jedoch nicht. Hierin liegt eine, gegen Art. 103 GG verstoßende vorweggenommene Beweiswürdigung, die im Prozessrecht keine Stütze findet. Eine Partei ist nicht gehindert, ihren Vortrag im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insb. auch zu berichtigen. Eine etwaige Widersprüchlichkeit kann nur im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (BGH, Beschl. v. 6.2.2013 - I ZR 22/12, BeckRS 2013, 08902 Rz. 11; v. 23.7.2013 - II ZR 28/12, juris Rz. 7; v. 21.7.2011 - IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384 Rz. 6).

Rz. 15

bb) Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör zudem dadurch verletzt, dass es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt hat.

Rz. 16

Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Wird das Parteivorbringen diesen Anforderungen gerecht, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen, wie z.B. Details zu Zeit und Ort, nicht verlangt werden. Es ist dann Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei ggf. die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Fragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Beschl. v. 21.10.2014 - VIII ZR 34/14, ZfBR 2015, 139 Rz. 13, 20 f.; v. 6.2.2014 - VII ZR 160/12, NZBau 2014, 221 Rz. 12; jeweils m.w.N.). So verhält es sich hier.

Rz. 17

Die Klägerin hat unter Beweisantritt dargelegt, dass die ARGE B. u.a. auf die Rechnung der Beklagten zu 1) vom 9.12.2010, mithin vor Löschung der Beklagten zu 1), Zahlungen geleistet hatte - die allerdings vor Rechnungsstellung in dem Zeitraum von August bis Dezember 2010 erfolgt sein sollen - ohne dass ein Rechtsgrund hierfür erkennbar sei. Die Klägerin hat sowohl erstinstanzlich als auch im Rahmen des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 19.9.2013 jeweils konkrete Daten für die einzelnen Zahlungen von Seiten der ARGE B. benannt. Weitere Voraussetzungen waren an einen substantiierten Vortrag nicht zu stellen.

Rz. 18

b) Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Berufungsgericht hat der Berufung im Ergebnis zu Recht den Erfolg versagt.

Rz. 19

Die Beklagte zu 1) ist seit ihrer Löschung am 13.2.2012 nicht mehr parteifähig. Die Löschung einer vermögenslosen GmbH nach § 394 Abs. 1 FamFG hat zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein. Die Gesellschaft ist materiell-rechtlich nicht mehr existent. Nur wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig (BGH, Urt. v. 5.7.2012 - III ZR 116/11, WM 2012, 1482 Rz. 27; v. 25.10.2010 - II ZR 115/09, NJW-RR 2011, 115 Rz. 22; v. 29.9.1967 - V ZR 40/66, BGHZ 48, 303, 307; jeweils m.w.N.). Wertlose Aktiva und Forderungen, wegen derer nicht vollstreckt werden kann, sind kein verwertbares Vermögen (Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 74 Rz. 12). In solchen Fällen ist das Interesse des Gläubigers einer liquidierten und gelöschten Gesellschaft, für die lediglich abstrakte Möglichkeit, dass sich doch noch Zugriffsmasse findet, einen Vollstreckungstitel erwirken zu können, nicht schützenswert (vgl. auch Lindacher in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 50 Rz. 15).

Rz. 20

Es kann dahinstehen, ob der Beklagten zu 1) noch Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) zustehen. Etwaige Ansprüche sind nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht werthaltig. Über das Vermögen der Beklagten zu 2) ist zwischenzeitlich im September 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Weder nach dem Vorbringen der Klägerin noch sonst ist ersichtlich, dass Ansprüche der Beklagten zu 1) gegen die Beklagte zu 2) erfolgreich durchzusetzen wären. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 2.10.2013 vielmehr ausgeführt, die Beklagte zu 2) sei im Wesentlichen vermögenslos, was wohl unter normalen Umständen zur Folge hätte, dass Ansprüche nicht zu realisieren wären. Eine reelle Aussicht, dass der Beklagten zu 1) hinsichtlich ihrer etwaigen Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) Haftungsmasse zur Verfügung stehen wird, besteht vor diesem Hintergrund nicht.

III.

Rz. 21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 8031933

DB 2015, 1897

DB 2015, 8

DStR 2015, 2245

NJW 2015, 2424

BauR 2015, 1526

EBE/BGH 2015, 237

GmbH-StB 2015, 223

EWiR 2015, 629

NZG 2015, 952

WM 2015, 1383

ZIP 2015, 1334

DNotZ 2015, 711

DZWir 2015, 487

JA 2015, 944

JZ 2015, 463

JuS 2015, 1041

MDR 2015, 780

NZI 2015, 774

ZInsO 2015, 1364

ZInsO 2015, 1411

ZfBR 2015, 672

GmbHR 2015, 757

NJW-Spezial 2015, 559

NZBau 2015, 5

NZBau 2015, 694

RÜ 2015, 576

StX 2015, 558

FMP 2015, 132

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